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Deutsche und österreichische Variationen des Leitmotivs "Der Papa wird’s schon richten, das g’hört zu seinen Pflichten . . ."
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Die Affäre um Bundespräsident Christian Wulff regt seit Wochen deutsche Talkshows und Polit-Magazine auf. Knackpunkte: Wulff erhielt als niedersächsischer Ministerpräsident einen Baukredit um weniger als die Hälfte des üblichen Zinssatzes. Damit verstieß er gegen das Verbot der Vorteilsnahme nach dem niedersächsischen Ministergesetz und verschwieg das bei der Beantwortung einer parlamentarischen Anfrage. Einen Bericht - ausgerechnet - der "Bild"-Zeitung darüber versuchte Wulff durch Intervention zu verzögern. Andere Details wie Freundschaften, Gefälligkeiten und Vergabe von Subventionen decken ein Filzdreieck aus Politik, Wirtschaft und Privatem auf.
Öl ins Feuer goss Wulff selbst, als er alle Aufforderungen zum Rücktritt mit "Nein" abwies und prophezeite, dass alles "in einem Jahr ohnehin vergessen" sei. Taktisch stümperhafter geht es nicht.
Gnädigem Vergessen wäre die Affären-Kette wohl verfallen, hätte Wulff alles auf den Tisch gelegt, als Journalisten ein Fädchen entdeckten, mit dem sie dann Zug um Zug das ganze Gewebe in Bewegung brachten. Aber Salamitaktiker Wulff gab nur aufgedeckte Patzer zu und entschuldigte sich dafür sogar. Ebenso scheibchenweise brachten Journalisten neue Fakten unter die Leute. Und schon geriet Wulff in die Defensive und sein Fall zum Dauerbrenner.
Das Urteil über seinen Fall sprach Wulff im August in Lindau vor Nobelpreisträgern selbst: "Das Versagen von Eliten bedroht langfristig den Zusammenhalt der Gesellschaft. Wer sich zur Elite zählt und Verantwortung trägt, darf sich nicht in eine abgehobene Parallelwelt verabschieden." Zu dieser Elite zählt der Bundespräsident. Seiner moralischen Autorität fügte Wulff selbst harte Schrammen zu.
Österreichs Aufreger ist die von Elfriede Jelinek beschriebene sozialdemokratische "Maßschneiderei für Karrieren", die den ORF so mit Rotlauf ansteckte, dass es den ORF-Journalisten zu bunt wurde. Dieser Vorgang erinnert an Helmut Qualtingers und Gerhard Bronners Ohrwurm von 1958: "Der Papa wird’s schon richten, das g’hört zu seinen Pflichten." Nur richtet’s heute nicht mehr der Papa, sondern der Pate: Die SPÖ-Führung befördert Niko Pelinka zum ORF-Stiftungsrat, und dieser talentierte Nachwuchsmann deichselt die Wahl Alexander Wrabetz’ zum ORF-Chef. Und weil das so glatt gelaufen ist, ernennt der dankbare Wrabetz den "Maßschneider" Pelinka zu seinem Bürochef - ohne diesen Posten auszuschreiben. Diesen glatten Regelverstoß verkleistert Wrabetz mit einer Ex-Post-Ausschreibung. Taktisch patscherter geht’s nicht - von Anstand und Schamröte erst gar nicht zu reden. Folgerichtig ist Jelineks Angriff auf Pelinka weder nobel noch zielsicher: "Grins, grins, grins . . . da grinst dieser Lausbub." Der so Gescholtene ist doch in dieser roten Seilschaft nur der (vorerst) letzte Mann, den Wrabetz auf einen sicheren Standplatz zog.
In dieser Seilschaft hängen noch erheblich gewichtigere "Lausbuben". Diese Kletterpartie turnt zu einem Ziel, das Wulff treffend charakterisierte: "Verabschiedung in eine abgehobene Parallelwelt."