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Ist der Impfstoff von Astra Zeneca sicher?

Von Cathren Landsgesell

Wissen

Wissenschafter des Jenner Instituts in Oxford arbeiten bereits an Modifikationen, die auch bei Mutationen wirken.


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Die Marktzulassung für den Impfstoff der Universität Oxford und des Biotechnologieunternehmens Astra Zeneca durch die Europäische Arzneimittelbehörde EMA wird für Ende Jänner, Anfang Februar, erwartet. 300 Millionen Dosen wurden EU-weit bestellt. Der Impfstoff mit dem Namen ChAdOx1 nCoV-1 beziehungsweise AZD1222 ist ein sogenannter Vektorimpfstoff und funktioniert etwas anders als die mRNA-basierten Impfstoffe von Biontech/Pfizer und Moderna. Für beide besteht eine Zulassung in der EU. In Großbritannien und in Indien gibt es den Astra Zeneca-Impfstoff bereits.

Funktionsweise

Auch der Astra Zeneca-Impfstoff setzt beim bekannten Hüllprotein des Coronavirus Sars-Cov-2 mit seinen charakteristischen Stacheln, Spikes, an. Aber der Vektorimpfstoff nutzt die DNA der Spikes, also die Erbinformation selbst, für die Impfwirkung.

Die Gensequenz, die für das Spike-Protein relevant ist, wird mit einem Adenovirus verbunden. Dieses Adenovirus, ChAdOx1, ist damit der Vektor, also das Übertragungsmedium, für die DNA. DNA ist nicht so empfindlich wie RNA, das heißt, der Impfstoff muss nicht stark gekühlt werden und ist insgesamt robuster.

Adenoviren sind dazu da, die DNA des Spike-Proteins in die Zellen zu schleusen, wo sie freigesetzt wird und die Produktion von mRNA in Gang setzt (hier wären wir wieder dort, wo die mRNA-Impfstoffe ansetzen). Mit den Informationen der mRNA beginnt die Zelle, das Spike-Protein herzustellen; die Spikes bleiben zum Teil in der Zelle, andere kommen an die Oberfläche, wodurch eine Signalkette ausgelöst wird, an der T-Zellen und B-Zellen beteiligt sind. Letztere beginnen, Antikörper zu produzieren, und man hat das Ziel der Impfung erreicht: Das Andocken von Spikes wird durch die Antikörper verhindert. Außerdem werden Killer T-Zellen aktiviert, die Viren und infizierte Zellen zerstören.

Das Prinzip, Adenoviren als Vektor zu nehmen, ist bereits seit mehreren Jahrzehnten erprobt. Impfstoffe auf dieser Basis werden gegen HIV, Zika und Ebola in klinischen Studien getestet. Das Jenner Institut der Universität Oxford arbeitet seit mehr als 30 Jahren mit Adenoviren, unter anderem gegen Infektionen mit dem Mers-Coronavirus.

Doch warum nimmt man Viren als Trägermedium? "Erbgut geht nicht von allein in die Zellen, sondern man muss es irgendwie eingeschleust bekommen. Und das können Viren supergut", erklärt Dorothee von Laer, Virologin an der Medizinischen Universität Innsbruck. Die defekten Adenoviren, die hier zum Einsatz kommen, sind von speziellen Adenoviren, die bei Schimpansen Grippe auslösen, abgeleitet. Zur Herstellung von Impfstoffen werden sie in Zellen in großen Bioreaktoren produziert.

Sicherheit

Die Adenoviren, die als Vektor fungieren, können sich nicht mehr vermehren, da für die Vermehrung essenzielle Gene aus dem Erbgut des Virus entfernt wurden. "Das Einzige, was diese Viren noch können, ist, die DNA in die Zellen zu transportieren, so wie es das Virus mit dem eigenen Erbgut getan hätte", sagt von Laer. Die DNA wiederum ist nur für die Bildung des Hüllproteins tauglich, daher kann kein neues Sars-Cov-2-Virus, aber auch kein Adenovirus daraus entstehen.

Adenoviren sind auch deshalb besonders gute Transporteure, weil sie mit der DNA für ein Spike-Protein nichts anfangen können. Adenoviren sind hüllenlos, es sind nackte Viren. Sie haben keinerlei Verwendung für Spike-Anleitungen. In den Studien zu Impfstoffen gegen HIV und gegen bestimmte Krebserkrankungen kam es daher nie zur Bildung von Rekombinanten. Um die volle Impfwirkung zu erzielen, werden zwei Impfdosen im Abstand von zwei Wochen benötigt. Die Wirksamkeit liegt nach bisherigen Erkenntnissen bei 62 bis 90 Prozent, wobei die 90 Prozent überraschenderweise bei Testpersonen erreicht wurden, die bei der ersten Impfung nur eine halbe Dosis erhielten. Von Laer führt es auf logistische und organisatorische Schwierigkeiten zurück, dass die Entwicklung dieses Impfstoffes länger benötigte als die der mRNA-Impfstoffe obwohl bereits im April die ersten klinischen Studien mit dem Astra Zeneca- Impfstoff begannen.

Mutationen

Das Jenner Institut der Universität Oxford hat damit begonnen, den Impfstoff zu modifizieren, damit er auch gegen die derzeit sich verbreitenden Mutationen von Sars-Cov-2 wirksam ist. Die neuen Varianten traten ursprünglich in Manaus, Brasilien, und in Südafrika auf. Forscher befürchten, dass es sich um einen Fall von "Immune Escape" handelt: Das Virus mutiert so, dass es die Antikörper umgeht. "Je mehr Viren bei bestehender, relativ hoher Immunität in einer Bevölkerung zirkulieren, desto schneller entstehen die Varianten, die dem Immunsystem entkommen."

In Europa, wo nur rund zwei Prozent der Bevölkerung infiziert waren und Antikörper haben, besteht keine Notwendigkeit für das Virus, sich an die neue Situation anzupassen. Es findet genug Personen, die es infizieren kann. In Brasilien und in Südafrika aber hatten bereits in einigen Regionen bis zu 70 Prozent der Bevölkerung eine Infektion durchgemacht und Antikörper gegen das Virus entwickelt.

Anders als die Mutation in Großbritannien, B.1.1.7., die es lediglich leichter für das Virus macht, Menschen zu infizieren, versetzen die Mutationen in der Südafrika- und Brasilien-Variante das Virus also in die Lage, Menschen zu infizieren, die bereits einmal infiziert waren. "Unser normaler Grippe-Virus macht das genauso", sagt von Laer.

Mutationen sind Kopierfehler, die sich anhäufen, manche davon erweisen sich als günstig für das Virus, andere nicht. "Man muss das beobachten. Der Impfstoff induziert ja im Schnitt höhere Antikörperspiegel als die natürliche Virusinfektion, und es kann somit sein, dass der bestehende Impfstoff trotzdem schützt", sagt die Virologin. Um den Vektorimpfstoff anzupassen, werden die entsprechenden Abschnitte der DNA des Spike-Proteins verändert und der Kopierfehler gewissermaßen nachvollzogen. Aus Sicht der Medizinerin kein besonderer Aufwand: "Auch unsere Grippe-Impfstoffe muss man etwa alle ein bis zwei Jahre anpassen."