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Ist der "Weg zur Knechtschaft" unumkehrbar?

Von Erhard Fürst

Gastkommentare
Erhard Fürst war Leiter der Abteilung Industrie- und Wirtschaftspolitik der österreichischen Industriellenvereinigung

Wir entwickeln uns hin zu einer neuen Art von weltlicher, demokratisch zustande gekommener Diktatur, die das Verhalten umfassend reglementiert.


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In seinem 1944 veröffentlichtem Werk "The Road to Serfdom" warnte der österreichische Ökonom und spätere Nobelpreisträger Friedrich August von Hayek vor zunehmenden Eingriffen des Staates in die Wirtschaft, die letztlich Demokratie, Marktwirtschaft und damit persönliche Freiheit zerstören würden. Tatsächlich erfolgen solche staatlichen Eingriffe und spiegelbildlich Einschränkungen der persönlichen Freiheit nicht nur im wirtschaftlichen, sondern ganz allgemein im gesellschaftlichen Bereich.

Dies ist kein Plädoyer für einen untätigen Nachtwächterstaat. Staatliche Eingriffe, wie zum Beispiel existenzsichernde Maßnahmen oder die Organisation eines Bildungs- und Gesundheitssystems, ermöglichen erst persönliche Freiheit. Ab einem bestimmten Punkt kippt das System allerdings in Richtung Unfreiheit.

Diese Entwicklung ist eng mit unserem demokratischen System verbunden. Die beiden wichtigsten Instrumente, über die Politiker zur "Gestaltung" von Wirtschaft und Gesellschaft, vor allem aber zu ihrer Wiederwahl verfügen, sind Gesetze und finanzielle Anreize. Erfolgreiche Politiker sind jene, die sich einen großen Anteil am Budgetkuchen sichern und Gesetze durchbringen, die in der Regel den staatlichen Einfluss erhöhen. Sparsamer Einsatz öffentlicher Mittel und neuer gesetzlicher Regelungen bringt hingegen keine Stimmen.

Dass dies so ist, zeigt, dass der Demos, also das Volk, damit gar nicht so unzufrieden ist. Wann immer ein Problem identifiziert wird, wird der Ruf nach gesetzlicher Regelung beziehungsweise zusätzlichen öffentlichen Mitteln laut. Den mühseligen Weg zivilgesellschaftlicher Problemlösungen, wie aufklären, Bewusstsein schaffen, Toleranz üben, freiwillige Vereinbarungen treffen, wollen immer weniger gehen, erfordert er doch persönliches Engagement.

Der Bestand an gesetzlichen Regulierungen und finanziellen Zuwendungen wird zur selbstverständlichen, kaum mehr hinterfragten Gegebenheit. Die laufende inkrementelle Steigerung der Dosis ist zu gering, um Widerstände hervorzurufen; schon gar nicht, wenn ein Anlassfall vorliegt. Eine Gewalttat im Gericht rechtfertigt die Kosten eines permanenten Kontrollsystems, obwohl diese Mittel vielleicht woanders mehr für die öffentliche Sicherheit bewirken könnten. Problemen mit Radfahrern soll mit Nummerntafeln begegnet werden, die eine Anzeigenflut auslösen und zusätzliche Bürokratie erfordern würden. Auch haben wir verlernt, mit Risiken zu leben, und nehmen für deren vermeintliche Abschaffung eine permanente Überwachung und Freiheitsbeschränkung in Kauf.

Diese Entwicklung endet in einer neuen Art von weltlicher, demokratisch zustande gekommener Diktatur, in der menschliches Verhalten wie in manchen religiös dominierten Gesellschaften umfassend reglementiert und gesteuert wird - vielfach, ohne dass die Betroffenen es merken. Außer wir schaffen es noch rechtzeitig, persönliche Freiheit, Selbstbestimmung, Eigenverantwortung, Risikobereitschaft als besonderen Lebenswert im Bewusstsein der Menschen zu verankern.