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Ist die katholische Kirche als solche strafbar?

Von Maximilian Zirm

Gastkommentare

In sämtlichen Staatsanwaltschaften wird sich ein spezialisierter Staatsanwalt um Missbrauchsfälle kümmern. Dieser wird sich wohl auch um die Strafbarkeit der katholischen Kirche selbst Gedanken machen müssen.


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Zahlreiche Missbrauchsopfer der katholischen Kirche begehren Schadenersatz für das ihnen zugefügte Leid. Davon abgesehen gibt es strafrechtliche Verfolgungsmaßnahmen gegen Geistliche. Es muss aber auch ein Blick auf die strafrechtliche Verantwortlichkeit der Kirche selbst geworfen werden.

Das Verbandsverantwortlichkeitsgesetz (VbVG) macht es möglich, Verbände - und dazu zählt grundsätzlich auch die katholische Kirche - mittels Geldbuße strafrechtlich zur Verantwortung zu ziehen. Nach dem VbVG wird die Straftat eines Mitarbeiters oder Entscheidungsträgers grob gesagt dem Verband zugerechnet. Dies unter der Voraussetzung, dass die Tat zu Gunsten des Verbandes begangen wurde oder Verbandspflichten verletzt wurden. Bei der Prüfung einer strafrechtlichen Verantwortlichkeit der katholischen Kirche ist eines zu beachten: Das Gesetz besagt, dass anerkannte Kirchen, Religionsgesellschaften und religiöse Bekenntnisgemeinschaften, soweit sie seelsorgerisch tätig sind, keine Verbände sind und somit nicht bestraft werden können.

Auslegung und Hintergrund dieser Bestimmung sind gleichsam unklar wie fragwürdig. Einerseits leuchtet nicht ein, wieso klerikale Seelsorgetätigkeiten vom Gesetz gänzlich ausgeschlossen werden, während säkulare Seelsorgeunternehmen bestraft werden können. Anderseits bleibt zu klären, was unter seelsorgerischer Tätigkeit überhaupt zu verstehen ist. In der christlichen Kirche versteht man unter Seelsorge die Unterstützung und Begleitung des Einzelnen in Fragen des Glaubens und der Lebensführung durch dafür ausgebildete und beauftragte Personen.

Doch was heißt das im Detail? Bedeutet das, dass im Falle der Deliktsbegehung im weiten Betätigungsfeld von Internats- und Spitalswesen bis hin zum kommerziellen Weinbau eine Strafbarkeit der Kirche als solche ausgeschlossen ist? Vor dem Hintergrund der strafrechtlichen Relevanz der Verfehlungen kirchlicher Würdenträger kann eine Generalamnestie des Staates gegenüber der Kirche wohl nicht Intention des Gesetzgebers gewesen sein. Die gegenwärtig in Rede stehenden Straftaten sind jedoch oft verjährt. Über die rechtspolitische Grundlage dessen lässt sich streiten, wobei die Sinnhaftigkeit der Verfolgungsverjährung nach präventivem Schutz von Opfern und nicht nach Repressions- und Vergeltungsgelüsten der Bevölkerung beurteilt werden sollte.

Schließlich seien die Weisungen erwähnt, welche einem Verband erteilt werden können, wenn dieser be-straft wurde. Damit sollte es nicht nur zu Entschädigungsleistungen an Opfer kommen, sondern auch in die Verbandsstruktur selbst eingegriffen werden. Wie weit die katholische Kirche dies zulassen würde, ist ebenfalls fraglich.

Dr. Maximilian Zirm, LL.M. ist Rechtsanwaltsanwärter in Wien.