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Keine Investitionen, kaum Konsum: Der Osten leidet mit.
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Wien. Osteuropa mag zwar weiterhin rascher wachsen als das "alte Europa". Dass die Länder der Region mittel- oder langfristig zu den hohen Wachstumsraten von vor der Krise zurückzukehren, sei aber "sogar unter einem sehr optimistischen Szenario" ausgeschlossen, sagen die Osteuropa-Experten des Wiener Instituts für Internationale Wirtschaftsvergleiche (WIIW). Das sind auch für Österreich keine allzu guten Aussichten: Schließlich haben die heimischen Banken und viele Exporteure auf diese Region gesetzt. Ist die viel beschworene "Osteuropa-Story" womöglich gar beendet?
Zumindest in den nächsten Jahren wirkt das Schwächeln der Eurozone, mit der viele Länder durch Exporte und Investitionen verbunden sind, wie ein Bremsklotz. Osteuropa müsse sich deshalb 2013 auf ein schwaches Jahr einstellen. 2014 könnten eventuell erste positive Impulse aus dem Euroraum kommen. Wobei: "Das Schlüsselwort ist eventuell", schränkt Studienautor Vasily Astrov ein. Den Wachstumskurs der Eurozone sieht das WIIW nämlich wesentlich kritischer als die Europäische Kommission, erklärt Direktor Michael Landesmann: "Europa droht, beginnend ab 2018, ein verlorenes Jahrzehnt." Er zieht Vergleiche mit Japan, wo nicht aufgearbeitete Bankenprobleme zu mehr als einer Dekade Stagnation geführt hätten. Europa habe sich von anderen Weltregionen wie den USA, wo der Aufschwung greift, entkoppelt. Ohne Kurswechsel in der Fiskalpolitik werde sich daran nichts ändern, fürchtet Landesmann.
Wenige Kredite von Banken
Osteuropa ist davon besonders betroffen: Die Rezession im Euroraum dämpft die Nachfrage nach Produkten und belastet die Exporte. "Sehr, sehr enttäuschend" entwickeln sich die Investitionen in der Region: Sie gehen mit wenigen Ausnahmen zurück. Wenn überhaupt sind es öffentliche Investitionsprojekte, die für etwas Dynamik sorgen - etwa der Straßenbau in Ländern wie Rumänien oder Estland. Eine zunehmend größere Rolle erhalten EU-Transferzahlungen. Aber auch der private Konsum schwächelt wegen der hohen Arbeitslosigkeit und stagnierenden Löhne.
Am schwächsten fallen die Prognosen für die Länder am Balkan aus. Slowenien und Kroatien steht heuer sogar eine neuerliche Rezession bevor. Der kroatische EU-Beitritt werde zwar mittelfristig helfen, die Investitionen würden aber nicht gleich ab 1. Juli fließen, sagt Hermine Vidovic. In Slowenien werde die künftige Regierung vor der schwierigen Aufgabe stehen, eine "Bad Bank" einzurichten: Die Sozialdemokraten sehen diese sehr kritisch. Auch die Gründung einer Staatsholding könnte heikel werden. Für bisher solide Länder wie Polen und Slowakei erwarten die Experten eine Wachstumsverlangsamung.
Noch am besten ist der Ausblick für Länder, die weniger auf die Eurozone, sondern stärker in Richtung Russland oder Asien orientiert sind: Die baltischen Staaten, Russland selbst, Kasachstan und die Türkei wachsen am stärksten. Die Ukraine sei ein Sonderfall: Dort hängt die Prognose daran, ob es gelingt, die überbewertete Währung kontrolliert zu schwächen.
Als Problem werten die WIIW-Experten, dass Europas Banken die Kreditvergabe in der Region mit Ausnahme von Polen stark reduziert haben. Schuld sei nicht so sehr fehlende Liquidität, sondern Risikoscheu. Die Banken sind vorsichtiger, weil das Volumen der wackelnden Kredite in etlichen Ländern stark zugenommen hat.