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Ist die Pragmatisierung am Ende?

Von Michael Schmölzer

Politik

Am Montag hat die Regierung in ihrer Klausur angekündigt, die Frage der Pragmatisierung im öffentlichen Dienst diskutieren zu wollen. Solche Initiativen sind an sich nichts Neues. Bereits seit 1996 werden - über den Weg der Personaleinsparung - deutlich weniger Pragmatisierungsurkunden verliehen. In einem jüngsten Vorstoß hat das Land Vorarlberg das alte Beamtendiestrecht gleich ganz abgeschafft. Die Frage ist nun, ob der traditionelle Beamte bald der Vergangenheit angehört.


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"Abschaffung der Pragmatisierung? Dann hätten wir in Österreich die Zustände des 'Polit-Managements´ wie es in den USA üblich ist: Die Reichen entscheiden." Paul Sturm von der Gewerkschaft Öffentlicher Dienst gibt sich kämpferisch und malt drastische Bilder. Denn schon seit längerer Zeit ist das traditionelle Berufsbeamtentum in Österreich Kritik ausgesetzt. Im Sommer dieses Jahres wollte Finanzminister Karl-Heinz Grasser der Pragmatisierung bundesweit an den Kragen: Keine Neupragmatisierungen ab dem Jahr 2003, hieß es damals aus dem Finanzministerium. Doch sein Staatssekretär Alfred Finz von der ÖVP legte sich quer: Dieser Schritt sei nicht abgeklärt worden und käme in der Reichweite nicht in Frage, so Finz im vergangenen Sommer. Der Beamtenstatus sei ein wesentlicher Bestandteil des Rechtsschutzsystems und ein stabiles Element der Rechtssicherheit, unabhängig von der Regierungskonstellation. Lediglich über die Zahl der Pragmatisierungen könne man nachdenken, so Finz. Ein Abbau ist aber längst im Gange: 1996 wurde ein teilweiser Aufnahmestopp im Öffentlichen Dienst durchgesetzt, jetzt sind die Lehrer von Personalmaßnahmen betroffen.

In Vorarlberg ist man bereits einen Schritt weiter: Ab 1.1. 2001 sind Neupragmatisierungen im "Ländle" Geschichte, ein neues Dienstrecht tritt in Kraft. Vorbei ist es mit der Unkündbarkeit und den Amtstiteln. Paul Sturm zeigt sich von den Novellierungen wenig begeistert. Vor allem das Einsparungsargument will er nicht gelten lassen: "Die Einführung des neuen Dienstrechtes in Vorarlberg kommt sogar teurer", ist er überzeugt. "Aber Vorarlberg ist das reichste Bundesland, die können es sich leisten modern zu erscheinen", bezweifelt er eine generelle Übertragbarkeit des neuen Systems auf ganz Österreich.

Widerspenstiges Relikt?

Tatsächlich wurzelt die Einrichtung der Pragmatisierung und das ausladende Amtstitelwesen in Österreich noch in der Monarchie. Unter Kaiser Franz Joseph wurde der kränkelnde und von Nationalismen durchsetzte Vielvölkerstaat nur noch durch die starke Verwaltung zusammengehalten. Der Kaiser - obwohl immer militärisch gewandet - sah sich selbst als Beamter. Wie Historiker zu berichten wissen, saß der Monarch auch in vorgerücktem Alter noch von sechs Uhr früh bis acht am Abend in seinem Arbeitszimmer und bearbeitete Akten. Große Entwürfe und weitreichende Visionen waren nicht das seine, er interessierte sich eher für die Details der täglichen Administration des Großreiches und kümmerte sich um die Anliegen auch des unbedeutendsten Bezirkshauptmanns - was ihm bei seinen Völkern eine fast mythische Verehrung einbrachte. Die Beamtenschaft der Monarchie hatte, absolut loyal nur dem Kaiser gegenüber, unparteiisch und unpersönlich den Vollzug der Gesetze zu besorgen. Viele Dinge waren ihnen vorenthalten: So war es nicht gerne gesehen, wenn ein Beamter in einem Publikationsorgan seine persönliche politische Meinung kundtat oder in seiner Lebensführung irgendwie auffiel. Zudem wurde er verhältnismäßig schlecht bezahlt. Allerdings waren die Beamten des Kaisers absolute Respektspersonen, durften sich mit schillernden Amtstiteln schmücken, in Uniform und Degen auftreten und hatte einen sicheren Job: Um die Gesetze unbeeinflusst vollziehen zu können, genoss der Beamte in Form der Pragmatisierung eine Quasi-Unkündbarkeit. Erwies sich ein höherer Staatsdiener als unfähig, wurde er in eine prestigeträchtige, aber unbedeutende Position abgeschoben.

Ist die Pragmatisierung also tatsächlich ein widerspenstiges Relikt längst vergangener Tage? Und sollten die Arbeitsverhältnisse im öffentlichen Sektor denen der Privatwirtschaft angeglichen werden? Heinrich Neisser, der selbst ÖVP-Minister für Verwaltungsreform war und nun als Politologe arbeitet, sieht das nicht so krass. "Die Art der Leistung des öffentlichen Dienstes rechtfertigt eine besondere Struktur. Eine unkritische Übernahme der Gegebenheiten aus der Privatwirtschaft macht hier keinen Sinn", meint Neisser gegenüber der "Wiener Zeitung". Den jüngsten Vorstoß des Landes Vorarlberg bewertet der Politologe positiv: "Das ist ein innovativer Akt, der durchaus Vorbildwirkung haben kann." Denn bei der Pragmatisierung handle es sich um eine Kategorie, die häufig "einer Mobilität entgegenwirkt." Der derzeitigen Unterteilung der öffentlich Beschäftigten in Vertragsbedienstete und Beamte kann er jedenfalls nicht viel abgewinnen: "Eine Vereinheitlichung der Arbeitsverhältnisse wäre sicher anstrebenswert." Nur in bestimmten Bereichen der Hoheitsverwaltung wie Justiz und Exekutive will Neisser die Pragmatisierung unangefochten lassen. Denn diese Beamten würden die "Sicherung der grundlegenden Interessen der Allgemeinheit auch in Krisenfällen" wahrnehmen.

Der wahlkämpfende Landeshauptmann-Stellvertreter und Spitzenkandidat der ÖVP im Burgenland, Gerhard Jellasitz, hat sich mittlerweile auch des Themas angenommen und fordert ebenfalls einen Verzicht auf die Pragmatisierung. Diese Forderung dürfe "kein Tabu mehr sein." Die Amtstitel könnten laut Jellasitz bleiben, denn die hätten ohnedies keine Auswirkungen auf die Effizienz der Verwaltung.