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Was muss Pamela Rendi-Wagner politisch tun, um die größte Oppositionspartei wieder ins Spiel zu bringen?
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Wien. Ganz ohne böses Blut ist Pamela Rendi-Wagners Antritt an der Spitze der SPÖ dann doch nicht verlaufen. Könnte man die Reaktionen aus Wien und dem Burgenland auf Rendi-Wagner als neue Parteivorsitzende noch als verhalten einstufen, löste die Abberufung von Andreas Schieder als geschäftsführender Klubobmann unter vielen roten Parlamentariern erheblichen Unmut aus. Gleich acht Gegenstimmen gegen Rendi-Wagner soll es am Dienstagnachmittag gegeben haben - sie hätten sich wohl weiter Andreas Schieder als Klubchef gewünscht.
Dem Vernehmen nach soll Rendi-Wagner Thomas Drozda, mit dem sie unter Christian Kern gut und vertrauensvoll zusammengearbeitet habe, wie sie am Dienstag betonte, als Klubchef vorgeschlagen haben. Drozda löst nun aber Max Lercher als Bundesgeschäftsführer ab, was vor allem bei den steirischen Abgeordneten nicht gerade Freudensprünge ausgelöst hat. Sie enthielten sich geschlossen bei der Abstimmung über die Klubchefin. Diese will den Job ab sofort alleine ausüben. Kommende Woche soll der Termin für die Präsidialsitzung feststehen, in der die Übergabe formal fixiert wird.
Das Wahlmotiv "Frau"
Eine Aufzahlung auf sein bisheriges Gehalt als Klubchef werde es für Schieder nicht geben, beeilte sich die SPÖ am Mittwoch festzuhalten. Er selbst werde sich verstärkt der außenpolitischen Agenden der SPÖ annehmen und sich um die internationalen Kontakte der Partei kümmern, sagt Schieder. "Unterschätzen Sie nicht die Einigungskraft der Sozialdemokratie. Wir sind manchmal ein wilder Haufen. Das ist auch gut so, aber wenn es ausdiskutiert ist, dann stehen wir geschlossen", versuchte der langjährige Klubchef, die Personaldebatten abzuschließen. "Von ganzem Herzen viel Erfolg" wünscht Rendi Wagner auch Gerhard Zeiler, der vor Christian Kerns Übernahme ebenfalls als Reserve für die Parteispitze gehandelt wurde.
Rendi-Wagner selbst gab sich bei ihrem ersten Statement als designierte Parteichefin am Dienstag alle Mühe, Bedenken, wonach es ihr an Erfahrung vor allem bei der internen Parteiarbeit fehlen könnte, zu zerstreuen. Sie habe viel gesehen und viel gelernt in ihrer Zeit als Gesundheitsministerin. Auf ihr lastet nun gewaltiger Druck. Abgesehen von der Frage, wie gut die Kooperation der neuen Chefin mit dem Wiener Bürgermeister Michael Ludwig laufen wird und ob Querschüsse aus dem Burgenland, wie sie Christian Kern immer wieder hinnehmen musste, künftig unterbleiben, stellen sich nun vor allem inhaltliche Fragen: Mit welcher Strategie will die neue Chefin die SPÖ aus der (Oppositions-)Krise führen?
Das Wahlmotiv "Frau" für sich allein genommen ist kein Garant für Mobilisierung bei Wahlen. Darauf deuten die Daten der Wahlforscher hin. Wohl aber gebe es einen Gender-Gap im Wahlverhalten, sagt etwa Günther Ogris vom Sora-Institut. "Das hängt mit dem demographischen Wandel zusammen." Frauen, besonders junge, verlassen häufiger als Männer den ländlichen Raum - und das nicht nur aufgrund besserer Bildungs- und damit Erwerbschancen. Auch das häufig männlich dominierte Sozialgefüge am Land sei dafür ein Grund, sagt Ogris.
Einmal in den urbanen Zentren, arbeiten Frauen überdurchschnittlich häufiger in Sozialberufen und im Bildungsbereich - nicht selten im öffentlichen Bereich. "Hier gibt es keinen Standortwettbewerb, wie etwa unter Arbeitern - einer männlich dominierten Gruppe", erklärt Ogris.
Weg vom Migrationsthema
Frauen müssen zudem mit niedrigeren Löhnen auskommen und haben aufgrund ihrer Erwerbsstruktur folglich auch kaum Interesse an Sparpolitik, ein wichtiger thematischer Baustein der aktuellen ÖVP-FPÖ-Regierung. Dazu zählen auch die Einsparungen im öffentlichen Bereich. Zur Erinnerung: In Opposition zur Sparpolitik im Bund unter Schwarz-Blau 1 gewann die SPÖ 2004 und 2005 zwei Bundesländer, die Steiermark und Salzburg - "im Wesentlichen durch Zugewinne von Frauen", sagt Ogris. "Ein Wahlmotiv Frau ist empirisch nicht nachzuvollziehen", sagt auch Meinungsforscher Peter Hajek. Wenn aber für Frauen wichtige Themen - Hajek nennt hier neben Gesundheit auch Gleichstellung oder Wohnen - im politischen Diskurs eine gewisse Breite entwickelt haben, könne dies einen erheblichen Mobilisierungsfaktor darstellen.
Auch wenn es der SPÖ gelingen mag, mit einer Frau an der Spitze mit der Dynamik, die sich zwischen ÖVP-Chef und Kanzler Kurz und Nicht-mehr-Kanzler Kern entwickelt hat, zu brechen, ist es an Rendi-Wagner, das Tagesgeschäft vom alles dominierenden Migrationsthema wegzudrehen. Dann erst, da sind sich die Experten einig, könne Rendi-Wagner ihre Authentizität in sozialpolitischen Themen ausspielen. Kurz gesagt: Es muss ihr gelingen, die Frage, was denn die Hauptprobleme der Gesellschaft sind, anders zu beantworten, als dies ihre Gegner auf der Regierungsbank tun.