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Ist er denn krank oder tut er nur so?

Von Thomas Rauch

Wirtschaft

Die Überwachung bleibt problematisch, wenn die Diagnose nicht bekannt ist. | Tanzen in der Disco für Heilung. | Wien. Kränkelnd und dann? Ab zum Arzt für den rosa Zettel. Die derzeitige Praxis findet der Oberste Gerichtshof (OGH) allerdings unbefriedigend: Der Arzt muss sich dabei auf die Angaben seines Patienten verlassen und eine Bescheinigung über die von ihm zu prüfende Rechtsfrage der "Arbeitsunfähigkeit" ausstellen - in der Regel, ohne die Art der Arbeitsleistung des Arbeitnehmers und die damit verbundenen Anforderungen zu kennen. Daraus ergibt sich die Gefahr des Missbrauchs - im Folgenden sollen deshalb zulässige Kontrollen erörtert werden.


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Auf Bekanntgabe der Diagnose hat der Arbeitgeber keinen Anspruch: Die Diagnose unterliegt der ärztlichen Schweigepflicht. Der Arbeitnehmer ist auch nicht verpflichtet, sich von einem Betriebsarzt oder einem Vertrauensarzt des Arbeitgebers untersuchen zu lassen. Der Arbeitnehmer hat sich aber im Krankenstand so zu verhalten, dass seine Genesung möglichst bald eintritt. Daher sind ärztliche Anordnungen zu beachten. Wesentliche Verstöße gegen diese Pflichten berechtigten die Entlassung.

Die bloße Nichteinhaltung ärztlich vorgesehener Ausgehzeiten bildet noch keinen Entlassungsgrund. Das Ausgehen muss im Ausmaß und in den dabei durchgeführten Aktivitäten bewirken, dass der Heilungsverlauf verzögert wird. Die Kontrolle bezieht sich daher in der Praxis in der Regel auf ein Fehlverhalten im Krankenstand.

Der Arbeitgeber könnte auch beweisen, dass der Arbeitnehmer die Krankschreibung durch übertriebene Angaben erwirkt hat. Das zu beweisen ist aber schwieriger als das heilungsverzögernde Verhalten.

Detektiv-Einsatz möglich

Es ist grundsätzlich zulässig, etwa einen Detektiv mit der Beobachtung eines im Krankenstand befindlichen Arbeitnehmers zu beauftragen. In der Praxis wird nach einer vereinbarten Beobachtungszeit ein Bericht vorgelegt und der Arbeitgeber hat zu entscheiden, ob auf Grund der Ergebnisse der Beobachtungen eine Entlassung ausgesprochen wird.

Problematisch ist dabei, dass bestimmte Verhaltensweisen erst dann als heilungsverzögernd eingestuft werden können, wenn die Diagnose bekannt ist. Weiters darf auch nicht übersehen werden, dass die Rechtsprechung zu einer (oftmals kritisch zu betrachtenden) großzügigen Sicht zu Gunsten von Arbeitnehmern neigt, die während eines Krankenstands verschiedenste Aktivitäten durchführen. So wurde etwa Tanzen in einer Diskothek bei Rückenschmerzen als heilungsfördernd angesehen.

Das Ausüben des Nebenberufes als Bürgermeister, wenn der Krankenstand auf einem Hämorrhoidenleiden beruht und der Arbeitnehmer im Dienst oftmals stundenlange Autofahrten unternehmen muss, ist ebenfalls zulässig. Auch das Verbringen einer zwei- bis dreitägigen Rekonvaleszenzphase nach einer Grippe im Wirtshaus der Gattin (wobei kurzzeitige Tätigkeiten verrichtet wurden), soll kein Entlassungsgrund sein.

Eine kurze Beobachtung bei einer dem Heilungsverlauf abträglichen Tätigkeit ist im Regelfall nicht ausreichend. Wird beispielsweise der Arbeitnehmer lediglich eine Minute bei Arbeiten auf einem Dach während eines Krankenstands beobachtet, so kann nicht ausgeschlossen werden, dass vor Gericht etwa Folgendes vorgebracht wird: "Ich habe lediglich 5 Minuten auf dem Dach gearbeitet, um meinem Freund von der Hausverwaltung X einen Gefallen zu tun. Auf Grund eines kaputten Ziegels kam es bereits zu Wasserschäden und so wurde ich gebeten, ob ich kurz diesen einen kleinen Mangel unentgeltlich beheben kann. Ich habe es gemacht und mich gleich wieder ins Bett gelegt."

Sofern eine solche Darstellung als erwiesen angesehen wird, wird der Arbeitnehmer im Prozess gewinnen.

Zweifel: Sonderkontrolle

Arbeitgeber, die am Zustandekommen einer Arbeitsunfähigkeit berechtigte Zweifel haben oder denen ein Verhalten des Arbeitnehmers bekannt geworden ist, welches dem Heilungsverlauf entgegenwirkt, können im Einzelfall über die nächstgelegene Dienststelle der Gebietskrankenkasse eine Sonderkontrolle unter Angabe der Gründe beantragen.

Dr. Thomas Rauch ist Jurist in der Sozialpolitischen Abteilung der Wirtschaftskammer Wien. Ein ausführlicher Beitrag zu dem Thema ist in der ASok, der Arbeits- und Sozialrechtskartei des Lindeverlags, erschienen.