" . . . Ja, die Sozialdemokratie", sagt ein Genosse zum Zwist zwischen Rendi-Wagner und Doskozil.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 1 Jahr in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Ein Wiener SPÖ-Funktionär lehnt an einem Sofasessel in der Hotellobby am Ende der Klubtagung und schaut betretenen Blickes auf den Boden. "Alles in Ordnung, geht es Ihnen gut?", wird er gefragt. "Nein, mir geht es gar nicht gut. Mein ganzes Leben habe ich der Sozialdemokratie gewidmet - und jetzt kommt der daher und macht sie kaputt", sagt der Funktionär, nachdem der burgenländische Landeshauptmann Hans Peter Doskozil mitten während der SPÖ-Klubklausur vergangene Woche bekannt gegeben hat, dass er als Gegenkandidat von Pamela Rendi-Wagner antreten will.
Dieser betretene Blick war seit Verkündung dieser Hiobsbotschaft häufig bei der Tagung zu sehen. "Der wird seinen autokratischen Führungsstil weiter ausbauen wollen. Er agiert populistisch und nicht demokratisch, das erinnert mich an Jörg Haider - oder an Sebastian Kurz mit seiner Generalvollmacht", ergänzt der Funktionär. Nachsatz: "Das Grundwesen der Sozialdemokratie ist die Demokratie, aber das, was der macht, ist nicht demokratisch."
Auch am Vorabend gab es schon die langen Gesichter. Manche wollten sich mit Karaoke-Singen ablenken. Aber das wurde abgeblasen. "Das kommt von oben. Sie meinen, das wäre angesichts der aktuellen Situation nicht angebracht." "Wieso - ist jemand gestorben?", fragt eine Genossin. Die Antwort darauf kommt schnell: "Ja, die Sozialdemokratie."
Aber nicht alle sehen die Sozialdemokratie zu Grabe getragen. "Wir sehen das pragmatisch. Wenn sich alle auf einen Kandidaten oder eine Kandidatin einigen können, dann sollten auch alle hinter ihm oder ihr stehen."
Diese Aussage entspricht auch dem Wording, das sich die Wiener Parteispitze für Bürgermeister Michael Ludwig eine Stunde lang für sein Pressestatement ausgedacht hatte: Er sei "erleichtert", dass sich Doskozil dazu entschlossen hat, für den Vorsitz der Bundes-SPÖ zu kandidieren, denn das biete die Möglichkeit, eine schnelle Entscheidung herbeizuführen, "damit diese anhaltenden personellen Debatten endlich beendet werden können", sagte Ludwig. Eine ausdrückliche Unterstützung für die Parteichefin (wie noch zum Start der Tagung) oder ihren Herausforderer gab es in dem Statement nicht.
"Ein großes Dilemma"
Man fand aber auch keine beleidigten oder nachtragenden Worte in der Parteispitze - es herrsche nach wie vor ein gutes Verhältnis zwischen der burgenländischen SPÖ und der Wiener SPÖ. Die Zusammenarbeit sei eine von Respekt und Professionalität getragene. Zwar nicht so eine amikale wie damals zwischen Hans Niessl und Michael Häupl, aber dennoch eine gute, hieß es.
"Trotzdem gibt es ein großes Dilemma", meint eine Genossin: Nämlich, dass dieses Hickhack zwischen Rendi-Wagner und Doskozil die Partei spaltet. Denn die einen sind überzeugt davon, dass mit Rendi-Wagner keine Wahl zu gewinnen ist und deswegen jemand anderer an die Spitze muss. Die anderen ärgern sich wiederum über die eigenmächtigen Querschüsse Doskozils und empfinden es als respektlos, dass man so mit einer Parteivorsitzenden umgeht, "die an Durchhaltevermögen, Unerschütterlichkeit und Aufopferungsbereitschaft in einer Partei der weißen Männer nicht zu überbieten ist". Es wurde Doskozil sogar vorgeworfen, kein Sozialdemokrat zu sein, "weil man sich als solcher nicht so egomanisch verhält".
Das Durchhaltevermögen Rendi-Wagners scheint im Übrigen auch der Grund gewesen zu sein, warum sich schon der Vorgänger Michael Ludwigs hinter sie gestellt hatte: "Einen guten Parteivorsitzenden zeichnet aus, dass er niemals aufgibt und das trifft auf Rendi-Wagner zu", sagte Alt-Bürgermeister Michael Häupl zu der bereits damals nicht unumstrittenen SPÖ-Chefin.
Es gibt aber auch Verständnis für Doskozil in den Reihen der Wiener SPÖ: "Dass er kein Sozialdemokrat ist, stimmt nicht - jeder Partei geht es ums Gewinnen, damit sie für das Land ihre eigenen Themen umsetzen kann. Und Doskozil ist der Meinung, dass die Sozialdemokratie mit Rendi-Wagner nicht gewinnen kann. Und weil es sonst niemand macht, ist er sogar bereit, seinen Landeshauptmann aufzugeben", heißt es da.
Die Wiener SPÖ scheint also bereits jetzt schon (wieder) gespalten zu sein. Zumindest in der Frage des Bundesvorsitzes.