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Ist Mobilität an ihre Grenzen gelangt?

Von Peter Kantor, Berlin

Wirtschaft

Irak-Krieg und SARS-Virus schränken aktuell Bereitschaft und Möglichkeiten für Reisen drastisch ein. Viele Fluglinien trudeln am Rand des wirtschaftlichen Abgrunds, zahlreiche Flüge werden abgesagt, und auch die internationalen Geschäfte von Unternehmen leiden unter der Krise. Eindrücke von der 29. deutschen Fachtagung für Geschäftsreisemanagement mit starker österreichischer Beteiligung in Berlin.


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Flughafen Wien-Schwechat um 6.30 morgens. Die Warteschlange vor der Gepäckabfertigung Richtung Luxor ist lang, die Charterpassagiere lärmen ausgelassen. Auch der von der AUA geführte Lufthansa-Flug um 7.30 nach Berlin ist ausgebucht. Die beiden Flüge sind die Ausnahme, denn unterm Strich ist die Lage katastrophal. Neben dem Irak-Krieg hält nun auch das SARS-Virus potentielle Fluggäste davon ab, in die Luft zu gehen.

Auf Krisen eingestellt

"Ist die grenzenlose Mobilität am Ende?" So lautete die zur dramatischen Lage passende Kernfrage auf der deutschen Fachtagung für Geschäftsreisemanagement vergangene Woche in Berlin. Die Antworten der deutschen und österreichischen Travelmanager fielen recht übereinstimmend aus.

"Die deutschen Unternehmen haben sich auf weltweite Krisen eingestellt", so Michael Kirnberger, Präsident des Verbands Deutsches Reisemanagement (VDR) im Gespräch mit der "Wiener Zeitung". Mittlerweile sei das Management auf nahezu alle Eventualitäten vorbereitet. Man wisse heute genau, wo sich die Mitarbeiter auf einer Dienstreise aufhalten und könne sie im Fall des Falles schnell benachrichtigen. Laut einer Umfrage des VDR unter mehr als 100 deutschen Travelmanagern gibt es nur bei 6% der Unternehmen ein generelles Reiseverbot aufgrund des Irak-Kriegs. Reiseeinschränkungen sind allerdings bei fast der Hälfte in Kraft. Restriktiv sind die Unternehmen vor allem bei Reisen nach Nahost (bei 84%), aber auch nach Nordamerika (29%), weniger nach Europa (16%).

Die Lungenkrankheit SARS bremst die Geschäftsreisetätigkeit auch Richtung Asien. "80 Tote sind schlimm", so Kirnberger, "über die Gefahr der Übertragung gibt es aber unterschiedliche Auffassungen." Er geht davon aus, dass man die wahre Ursache der Krankheit schon bald gefunden haben werde. "Leider werden Irak-Krieg und SARS für die Absage von Reisen oft vorgeschoben. Oft sind es Kostengründe, die für die Unternehmen im Hintergrund ausschlaggebend sind".

"Übertriebene Reiseängste"

In die gleiche Kerbe schlägt Hans-Jürgen Schindler, Präsident des österreichischen Reisemanagerverbands ABTA (Austrian Business Travel Association). Er hält die Angst vor SARS für ebenso übertrieben wie Terrorängste. Pharma-Konzernen zufolge handle es sich dabei um einen mutierten Grippe-Virus, der ähnlich wie die Hongkong-Grippe alle 8 Jahre komme.

Die meisten Unternehmen verhalten sich abwartend und hoffen auf mehr Informationen über SARS. "Viele nutzen die Krise, um generelle Sparmaßnahmen durchzusetzen", schließt sich Maria Clement von Deltas Limousinen Service der Meinung Kirnbergers an. Statt etwa Konferenzen in sichere Länder zu verlagern werden sie ebenso wie touristische Reisen auf unbestimmte Zeit verschoben und in der Folge endgültig abgesagt.

Tatsächlich unterscheiden sich die Vorgaben der einzelnen Unternehmen beträchtlich. "Bei uns werden die zu bereisenden Länder in Risk-Levels eingeteilt, zudem gibt es konkrete Sicherheitshinweise für gefährdete Länder", erklärt Christine Hafner von ABB. In den Irak dürfe aktuell überhaupt kein Mitarbeiter reisen, in angrenzende Länder nur, wenn es unbedingt erforderlich sei. Besonders streng ist der ABB-Konzern bei den Buchungen. "Jede Flugbuchung eines Mitarbeiter muss an eine zentrale Stelle gemeldet werden, damit wir in Krisensituationen sofort wissen, wo sich unsere Leute befinden"; so Hafner. Bei Geschäftsreisen zu sparen hält Schindler generell für kontraproduktiv: "Gerade in Krisenzeiten sollte man seine Kundenkontakte pflegen und sich nicht einigeln. Zahlreiche österreichische Firmen seien auf Exporte angewiesen.

Auf die Bedeutung der Reisebranche für die Wirtschaft weist Ludolf von Wartenberg, Hauptgeschäftsführer und Präsidiumsmitglied des Bundesverband der Deutschen Industrie BDI, hin. In Deutschland sind in dieser Branche 3 Millionen Menschen tätig, die mit 8% oder 141 Mrd. Euro zum BIP beitragen.

Ein erhebliches Gewicht haben dabei Geschäftsreisen, werden doch pro Jahr in Deutschland 150 Mill. Geschäftsreisen unternommen und 75 Mrd. Euro an Reisekosten ausgegeben. "Die Wirtschaft braucht Mobilität", betont er und warnt vor der Vernachlässigung dieses Faktors. So mussten etwa die internationalen Messen in Deutschland aufgrund reduzierter Reisetätigkeit im Vorjahr einen Rückgang von 5% bei den Besucherzahlen verzeichnen. Das schlage sich natürlich auch auf das Geschäft nieder. Heuer hofft Wartenberg auf rund 10 Millionen Besucher bei 140 internationalen Messen im Land. Ein Ziel, das vor dem derzeitigen wirtschaftlichen und (welt-)politischen Hintergrund kaum zu erreichen sein dürfte.