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Ist Montenegro überlebensfähig?

Von Jan Richard

Politik

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Selbst wenn sich die jüngste Terrordrohung gegen Montenegro als nicht ernstzunehmend herausstellen sollte (was man abwarten muss), bleibt die Frage, wer solche gefährlichen Spiele in einer Region spielt, in der ethnische Spannungen in der jüngeren Vergangenheit so viel Unheil angerichtet haben. Es gibt eine Vielzahl politischer Kräfte, speziell unter den Befürwortern eine engeren Bindung an Serbien, die an einer Destabilisierung Montenegros interessiert sein könnten. Sie bemühen sich zu beweisen, dass Montenegro als unabhängiger Staat nicht überleben kann, dass es seine eigene Sicherheit nicht garantieren kann, und dass es ein Problem mit der albanischen Minderheit hat. Ethnische Albaner machen etwa sieben Prozent der 673.000 Einwohner Montenegros aus, laut einer im letzten Jahr durchgeführten Volkszählung. Die Beziehungen der Volksgruppen untereinander werden allgemein als gut eingeschätzt, aber es gibt auch einige Probleme.

Eine Gruppe ethnischer Albaner, unter dem Namen "Iliricum", hat kürzlich dazu aufgerufen, eine ethnische albanische Region an der Grenze zu Albanien und dem Kosovo zu gründen. Sie hat den Vorschlag später zurückgezogen, nachdem er von beiden großen albanischen Parteien Montenegros zurückgewiesen wurde. Die Situation der ethnischen Albaner in Montenegro ist viel besser als in anderen benachbarten Balkanstaaten, wie Serbien oder Mazedonien. Politische Beobachter stehen ethnischen Regionen meist kritisch gegenüber. Was Montenegro ihrer Meinung nach braucht ist nicht Regionalisierung, sondern Dezentralisierung - nicht nur für Gebiete, wo Albaner leben, sondern auch für alle anderen Gemeinden.

Eine Regionalisierung würde auch dem langfristigen Ziel eines EU-Beitritts nicht nützen, da bekanntlich Staaten und nicht Regionen in die EU aufgenommen werden. Dafür sind politische und wirtschaftliche Kriterien zu erfüllen. Es sollte also darum gehen, ein erfolgreiches Albanien oder Serbien zu schaffen, nicht ein Groß-Albanien oder ein Groß-Serbien. In Montenegro gibt es noch das vergleichsweise größte Verständnis zwischen den verschiedenen Völkern in der Region. Dieses Kapital sollte nicht verspielt werden.