Zu viele Normen machen den Wohnbau teuer.
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Wien. Rund um das Thema Wohnen gibt es derzeit vielerlei Diskussionen und Debatten. Die Bundeskammer der Architekten veranstaltete eine Podiumsdiskussion rund um den Themenbereich, ob nachhaltiges Wohnen auch leistbar oder ob die Forderung nach einem ökologischen, sozial verträglichem und dennoch günstigem Wohnen eine überzogene Forderung sei.
Wolfgang Liebl von den Gemeinnützigen Bauvereinigungen führt die Steigerung der privaten Hauptmieten auf einen Rückgang beim Neubau zurück. Ein Grund dafür seien die Baukosten, die massiv gestiegen sind: Von 1383 Euro pro Quadratmeter in den Jahren 2004/2005 seien die Baukosten (inklusive Baunebenkosten) auf 1826 Euro pro Quadratmeter in den Jahren 2010/2011 gestiegen. Von den rund 450 Euro Mehrkosten entfielen laut Liebl 270 auf die Indexanpassung. 180 Euro seien allerdings den zusätzlichen Qualitätskriterien geschuldet, die in diesem Zeitraum dazugekommen seien. Es wäre sinnvoller, einige Extras aus den Regulatorien herauszunehmen und so die Möglichkeit zu bekommen, mehr Wohnungen zu bauen, meint der Experte.
Forderung nach Evaluation der Regulationen
Auch für Architekt Christian Aulinger, Bundesvorsitzender der Architekten in der Bundeskammer der Architekten und Ingenieurkonsulenten, sind die vielen Regulationen ein zu enges Korsett. Er plädierte für eine radikale Evaluation der Regulationen. Um einen nachhaltigen Heizenergieverbrauch zu erreichen, den man sich auch leisten kann, ist das seiner Meinung nach in einem ökonomischen Rahmen nur mit "Junk-Food-Technologie" - wie etwa veraltete Vollwärmeschutzmaterialien - möglich.
Walter Hüttler, Geschäftsführer von e7, einem Forschungs- und Beratungsunternehmen für energieeffizientes Bauen und Sanieren, hält dem entgegen, dass Österreich ein gutes Beispiel für nachhaltigen Wohnungsbau im ökologischen und sozialen Sinn sei. Das sei möglich, wenn es einen gesellschaftlichen Konsens gibt, ökologische Maßnahmen durch Wohnbauförderung zu unterstützen. Er gibt allerdings zu bedenken, dass es für einkommensschwache Menschen sehr wohl Eintrittshürden in den geförderten Wohnbau durch notwendige Eigenmittel gibt.
Passivhäuser nur unwesentlich teurer
In einer Studie von e7 wurde errechnet, dass sich Objekte mit einem Heizenergiebedarf von weniger als 15 Kilowattstunden pro Quadratmeter und Jahr (bis zu diesem Verbrauch wird gemeinhin von einem "Passivhaus" gesprochen) im Durchschnitt nicht rechnen, weil die höheren Errichtungskosten nicht durch die geringeren Kosten im Betrieb hochgerechnet auf 35 Jahre kompensiert werden können.
In diesem Bereich gehen die Meinungen der Experten auseinander. Architekt Martin Treberspurg, Professor für ressourcenorientiertes Bauen an der Universität für Bodenkultur (Boku) in Wien führte eine Studie aus seiner Abteilung an, nach der Passiv-Mehrfamilienhäuser in der Errichtung nicht unbedingt teurer seien. Die Forschungsarbeit, die 2009 abgeschlossen wurde, betrachtete sechs in Wien ausgeführte Passiv- und 12 Niedrigenergiehäuser, die zwischen 2003 und 2008 fertiggestellt wurden. Die Studie ergab, dass einige Niedrigenergiehäuser teurer waren als die Passivhäuser. Der Grund könnte die möglicherweise aufwendigere architektonische Gestaltung der Niedrigenergiehäuser gewesen sein.
Im Hinblick auf leistbares Wohnen sei es wichtig, vorhandene Gebäude auf Niedrigenergiestandard zu sanieren, um Menschen, die wirtschaftlich schlecht dastehen, zu unterstützen. Immerhin leben diese Menschen meistens in Häusern, die einen Energiebedarf von 300 Kilowattstunden pro Quadratmeter und Jahr (KWh/m2a) hätten, während sonst 200 KWh/m2a üblich wären, hieß es. Im Bereich der thermisch-energetischen geförderten Sanierungen wurden 2012 mit einem Fördervolumen der Stadt von 80 Millionen Euro rund 8500 Wohneinheiten saniert.
Beim Neubau liegt der Fokus der geförderten Wohnbauten schon seit Jahren auf dem Niedrigenergiehaus. Ein Passivhaus sei in der Errichtung um einiges teurer, energetisch sei der Unterschied zum Niedrigenergiehaus allerdings nicht mehr so groß, heißt es aus dem Büro des Wohnbaustadtrats Michael Ludwig. Neben der "Ökologie" seien auch "Architektur", "Ökonomie" und "soziale Nachhaltigkeit" wichtig. Letzteres bedeutet etwa, wenn die Mieter möglichst lange in den Wohnungen wohnen bleiben wollen. Das soll unter anderem durch flexible Grundrisse und durch "nachbarschaftliches Zusammenleben" erreicht werden.