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Ist Russland offiziell bald pleite?

Von Karl Leban

Wirtschaft

Ratingagentur S&P spricht nach Rubel-Zahlungen von "selective default", Moskau kündigt rechtliche Schritte an.


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Mit seiner jüngsten Rubel-Aktion hat Russland Standard & Poor’s (S&P), eine der großen Ratingagenturen, auf den Plan gerufen. Die US-amerikanischen Bonitätswächter sehen den russischen Staat bei seinen Auslandsschulden in Zahlungsverzug geraten. Russland, dessen Devisenreserven wegen des Angriffskrieges gegen die Ukraine vom Westen blockiert sind, hatte kürzlich Zahlungen für zwei Fremdwährungsanleihen statt in US-Dollar in Rubel geleistet.

S&P spricht nun von einem "selective default", einem teilweisen Ausfall. Die Agentur begründet das damit, dass nicht zu erwarten sei, dass die Anleihegläubiger die Rubel-Zahlung in einen adäquaten Dollar-Betrag umtauschen können oder dass die Regierung in Moskau das innerhalb der Nachfrist von 30 Tagen noch tun wird. Von einem "selective default" ist in der Finanzwelt dann die Rede, wenn ein Schuldner mit einer bestimmten Verpflichtung in Verzug ist, nicht jedoch mit seiner gesamten Schuld.

Wie S&P zu seiner Einschätzung erklärt, würden die Sanktionen des Westens Russlands Bereitschaft und technische Fähigkeiten zur Einhaltung der Zahlungsbedingungen "untergraben". Wegen der internationalen Strafmaßnahmen, die nach der Invasion in der Ukraine verhängt wurden, hat Moskau keinen Zugang mehr zu seinen Devisenreserven, die rund 315 Milliarden Dollar, umgerechnet 289 Milliarden Euro, betragen sollen. Damit ist es für Russland de facto unmöglich, seine Fremdwährungsschulden zu bedienen, was einen Staatsbankrott immer wahrscheinlicher werden lässt.

Washington hat Druck erhöht

Die Ratingagenturen haben ihre Noten für die Kreditwürdigkeit des größten europäischen Landes jedenfalls bereits tief in den Ramsch-Bereich gedrückt. Investoren, die russische Staatsanleihen halten, wird damit eine hohe Ausfallwahrscheinlichkeit signalisiert.

Die US-Bank JP Morgan schätzt, dass Russland Ende 2021 Fremdwährungsschulden von circa 40 Milliarden Dollar hatte, wovon auf ausländische Investoren etwa die Hälfte entfiel. Bis vor Kurzem erlaubten die USA Russland noch, einen Teil des eingefrorenen Finanzvermögens zu verwenden, um Dollar-Schulden zu bedienen. Mittlerweile hindert das US-Finanzministerium das Land aber daran, auf seine Devisenreserven bei amerikanischen Banken zuzugreifen, wie US-Medienberichten zu entnehmen ist. Das ist Teil der Bemühungen Washingtons, den Druck auf den russischen Staatschef Wladimir Putin zu erhöhen und die Geldbestände seiner Kriegskasse weiter zu verringern.

Moskau bereitet unterdessen rechtliche Schritte vor. "Wir werden klagen, weil wir alle notwendigen Maßnahmen ergriffen haben, damit die Investoren ihre Zahlungen erhalten", zitiert die kremlfreundliche Zeitung "Iswestija" Finanzminister Anton Siluanow. "Wir werden dem Gericht Beweise für unsere Zahlungen vorlegen, um unsere Bemühungen zu bestätigen, in Rubel zu zahlen, so wie wir es in ausländischer Währung getan haben." Wo Russland vor Gericht ziehen will, sagte Siluanow nicht.

Kreml-Sprecher Dmitri Peskow erklärte zuletzt, dass jede Zahlungsunfähigkeit "künstlich" wäre, weil Russland die Dollars habe, die zu zahlen seien. Russland könne bloß einfach nicht darauf zugreifen. "Es gibt keinen Grund für eine echte Zahlungsunfähigkeit", betonte Peskow. "Nicht einmal annähernd."