Warum es die Finanzmarktaufsicht schwer haben wird, einen Strafbescheid gegen den Waldviertler Schuhunternehmer zu erreichen.
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Wie jüngst berichtet, hat der Waldviertler Schuhunternehmer Heinrich Staudinger von Privatpersonen 3,6 Millionen Euro an Einlagen eingesammelt, die er mit 4 Prozent jährlich verzinst. Für die Finanzmarktaufsicht (FMA) ist das ein konzessionspflichtiges Bankgeschäft. Ist es das wirklich?
Folgt man der Auffassung von FMA-Vorstand Helmut Ettl, so agiert Staudinger wie eine Bank, aber ohne Konzession und daher rechtswidrig. Ihm drohen Strafmaßnahmen. Andererseits hat er große Teile der Öffentlichkeit auf seiner Seite: Die Grünen etwa fordern eine gesetzliche Reform. Man diskutiert also politisch. Juristisch wird seltsamerweise nicht argumentiert.
Was ein Bankgeschäft ist, steht in Paragraph 1 des Bankwesengesetzes (BWG): 21 verschiedene Typen von Bankgeschäften, Untergruppen nicht gerechnet, werden dort angeführt. Für Staudinger ist Absatz 1 Ziffer 1 dieses Paragraphen wesentlich: Ein Bankgeschäft ist auch "die Entgegennahme fremder Gelder zur Verwaltung oder als Einlage". Er hat zweifelsfrei fremde Gelder als Einlage, also nach Art eines Sparbuches, entgegengenommen.
Aber noch vor der Aufzählung all dieser 21 Fälle samt Untergruppen macht Paragraph 1 BWG eine wichtige Einschränkung: Alle diese Fälle und daher auch die "Entgegennahme fremder Gelder als Einlage" sind nur dann Bankgeschäfte, wenn sie gewerblich durchgeführt werden. Also, würde man spontan meinen, im Rahmen eines Gewerbetriebs, eines Unternehmens. Das würde auf Staudinger ja zutreffen. Doch so einfach ist das nicht.
Was bedeutet "gewerblich" im Zusammenhang mit Bankgeschäften wirklich? Wann ist die Entgegennahme von Einlagen gewerblich? Das BWG beantwortet das nicht. Der Verwaltungsgerichtshof entschied 1992 (Geschäftszahl 87/17/0147), eine Tätigkeit sei als "gewerblich" zu qualifizieren, wenn sie nachhaltig (also langfristig) zur Erzielung von Einnahmen im Sinne des Umsatzsteuergesetzes 1972 dient (Gewinnabsicht nicht erforderlich). Zur Erzielung von Einnahmen dient die Entgegennahme fremder Gelder dann und nur dann, wenn sie auf eine Weise verwendet werden, die nachvollziehbar in Geld ausdrückbare Einnahmen und nicht bloß irgendwelche Vorteile tatsächlich erwarten lässt, die sonst nicht erzielt würden.
Es muss zwischen der Entgegennahme des fremden Geldes und den angepeilten Einnahmen ein direkter Kausalzusammenhang bestehen. Diesen wird die FMA für einen Strafbescheid bei sonstiger Rechtswidrigkeit beweisen müssen, und das wird möglicherweise nicht leicht sein. Sollen nämlich die fremden Geldeinlagen zum Beispiel benutzt werden, um etwa die Umweltverträglichkeit von Staudingers Betrieb zu verbessern oder die Werksküche zu modernisieren, hätte das auf seine Geldeinnahmen wohl kaum einen nachweisbaren kausalen Einfluss. Die Geldeinlagen wären dann keine Bankgeschäfte, und Staudinger bräuchte keine Bankkonzession. Dabei genügt es, dass eine nicht auf Einnahmen gerichtete Verwendung des Geldes glaubhaft zu erwarten ist und nicht schon stattgefunden haben muss. Von Fristen hiefür ist im Gesetz keine Rede.