New York - Der UNO-Weltsicherheitsrat hat sich am späten Freitag (Ortszeit) in der Streitfrage um den Internationalen Strafgerichtshof geeinigt. Er stimmte einer auf 12 Monate | begrenzten Immunität für US-Bürger in UN-Einsätzen mit 15 gegen 0 Stimmen zu und verlängerte die zuvor von Washington blockierte UN-Mission in Bosnien-Herzegowina bis 2003. Aber die Einigung hinterlässt einen bitteren Nachgeschmack.
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Demnach sollen Friedenssoldaten aus Ländern, die das Statut des Haager Tribunals nicht unterzeichnet haben, zunächst für ein Jahr von einer Strafverfolgung ausgenommen werden. Dies hatten die USA gefordert und andernfalls damit gedroht, internationale Friedensmissionen künftig zu blockieren.
Das erbitterte Ringen vor und hinter den Kulissen hinterlässt tiefe Spuren bei den Beteiligten. Zum Zwecke der Schadensbegrenzung begrüßten die meisten - wie etwa Frankreich - zwar offiziell die erzielte Einigun. Doch die offene Kritik Deutschlands und Kanadas dürfte vielen aus dem Herzen sprechen.
Schon während der Verhandlungen über das Weltgericht hielten sich einige Teilnehmer nicht mit Kritik zurück. Am lautstärksten sei der Protest aus den Nachbarländern Mexiko und Kanada gewesen, sagt Richard Dicker von der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW). Doch das sei nur die Spitze des Eisbergs gewesen. Nach der Verabschiedung der Resolution 1422 in der Nacht zu Samstag verlieh denn auch der kanadische UNO-Botschafter Paul Heinbecker seiner Enttäuschung Ausdruck: Der Beschluss sei ein "trauriger Tag" für die Vereinten Nationen, diktierte er den Journalisten in die Notizblöcke. Der belgische Außenminister Louis Michel sagte im Radio: "Es ist ein neuer Schlag für die Glaubwürdigkeit internationalen Rechtes und für die abschreckende Wirkung des Internationalen Gerichtshofes." In Dickers Augen hat die Legitimität des Sicherheitsrats durch die Entscheidung beträchtlichen Schaden genommen. Mehrere Staaten prüften derzeit sogar, ob die Resolution juristisch angefochten werden könne.
In Deutschland nahmen Regierungsvertreter kein Blatt vor den Mund. So sprach Entwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul von einer "nur schwach kaschierten Erpressung" durch die USA. Der Beschluss sei ein "völlig falsches Signal" an die Entwicklungsländer, dass sich "letztlich das Recht des Stärksten gegen die Stärke des Rechts" durchsetze. Außenminister Joschka Fischer bemängelte, es müsse eine "akzeptable Lösung" gefunden werden, die weder den UNO-Sicherheitsrat noch das Statut des IStGH beschädige. Der Kompromiss trage diesen Bedenken "nicht vollständig Rechnung". "Wir sind weiterhin der Ansicht, dass Angehörige von Friedensmissionen einer Immunität nicht bedürfen", stellte sich Fischer offen gegen Washington.
Doch auch in den USA wurde der mühsam gefundene Kompromiss teils mit Unzufriedenheit aufgenommen. So ist konservativen US-Kommentatoren das Erreichte zu wenig: Sie glauben, dass ihre Regierung keinen Zentimeter hätte nachgeben dürfen. Zu ihrer Beruhigung dürfte die Ankündigung des amerikanischen UNO-Botschafters John Negroponte beigetragen haben: Nach der Entscheidung des Sicherheitsrats warnte er, sein Land werde es niemals hinnehmen, dass ein US-Bürger vom Strafgerichtshof belangt werde. Ein solches "illegitimes" Vorgehen hätte "ernste Konsequenzen", betonte Negroponte. Mit seinen drohenden Worten machte der UNO-Botschafter nur allzu deutlich, dass auch für die USA der Streit um den IStGH keineswegs beigelegt ist. AFP