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IT-Kräfte werden gesucht, Spezialisten gibt es zu viele

Von Mathias Hein

Wirtschaft

Herstellerzertifizierungen erhöhen die Berufschancen - meinen Experten und Schulungsanbieter. Zwar werden in Stellenanzeigen immer häufiger solche Qualifikationsnachweise renommierter Unternehmen wie Cisco, Microsoft oder Novell gefordert, doch Garantie für den Traum-Job sind sie noch lange nicht.


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Wenn Personalchefs unter www.arbeitsamt.at die IT-Hotline des Arbeitsamts in der letzten Not anklicken, haben sie meist ein echtes Problem: Sie suchen, aber finden keine qualifizierten Fachkräfte. Im Visier der Personalmanager stehen unter anderem Netzwerkspezialisten mit Datenbank- und Betriebssystemkenntnissen.

Orientierungshilfe für Personalchefs

Bei Einstellungsgesprächen fragen Personalmanager immer häufiger nach Zertifikaten, um sicherzugehen, dass die Bewerber auch das notwendige Fachwissen mitbringen. Daher stellen im Profil der Stellenangebote die Firmenzertifizierungen zunehmend eine wichtige Qualifikation dar. Schließlich investieren Firmen, Arbeitsämter und Einzelpersonen viel Geld und Zeit in derartige Schulungen. Insbesondere der MCSE (Microsoft Certified Systems Engineer) und der CNE (Certified Novell Engineer) sollen im Netzwerk-Bereich gefragte Qualifikationsnachweise sein. Mit einem solchen Zertifikat in der Tasche sollen Stellensuchende nicht nur beste Chancen auf den Traumjob haben, sondern auch eine deutlich bessere Verhandlungsposition in Sachen Gehalt. Die Wirklichkeit aber sieht oft anders aus.

Auch IT-Produkte unterliegen der Mode

Der Teilnehmer an einem herstellerspezifischen Training sollte wissen, dass diese Trainings nicht ohne Probleme sind. Anbieter wie beispielsweise Cisco lassen sich Schulungen teuer bezahlen und versuchen gleichzeitig offensichtlich, ein ganzes Marktsegment von ihrem Produkt abhängig zu machen. Nicht zuletzt aus diesem Grund lehnen viele IT-Verantwortliche derartige Herstellerzertifizierungen von Grund auf ab. Die Firmenzertifizierungen sagen nicht unbedingt etwas über die Mitarbeiterqualität aus. Sie unterliegen nicht selten Marketinggesetzen und Modetrends. Dies zeigt das Beispiel des Novell-Zertifikats CNE. CNEs gibt es inzwischen wie Sand am Meer. Eine große Nachfrage nach CNEs ist derzeit allerdings nicht festzustellen. Die Zeiten haben sich geändert, denn noch vor wenigen Jahren haben die unabhängigen Ausbildungsunternehmen den CNE als Plattform für die berufliche Zukunft wärmstens empfohlen. Rund 5.500 Menschen wurden in den vergangenen zwei Jahren im deutschsprachigen Raum ausgebildet. Berechtigt zum CNE-Training sind ausschließlich so genannte NAECs (Novell Authorized Education Center), von denen es 32 mit insgesamt 74 Niederlassungen gibt.

Als Marketing-Instrument eingesetzt

Hauptkriterium für Schulungsanbieter, die NAEC werden möchten, ist neben dem von Novell fest vorgeschriebenen technischen Equipment mindestens ein CNI (Certified Novell Instructor) pro Niederlassung. In der Regel muss der NAEC außerdem einen bestimmten Umsatz mit Novell-Trainings machen. CNEs leisten Dienste im Bereich der Planung, Installation, Konfiguration, Fehlerbehebung und Aktualisierung im Netzwerk. Diese Zertifizierung zielt auf Techniker und Administratoren ab, die sich einen umfangreichen Wissensstand im Support von Novell-Produkten aneignen wollen oder müssen. Nur wer sich mit dem CNE-Titel schmücken kann, erhält von Novell direkte Unterstützung. Der Anbieter verkauft dies als Vorteil, weil Anwender von Novell-Produkten bei auftretenden Problemen nicht lange auf die Behebung des Fehlers warten müssen - sofern sie einen CNE-Spezialisten an Bord haben. Freilich lässt sich so etwas auch als Knebelvereinbarung umschreiben, mit der sich offenbar immer weniger Unternehmen anfreunden können.

Ausschlaggebend ist Gesamtqualifikation

Durch die Qualifikation zum Netzwerkspezialist sparen die Unternehmen erhebliche Kosten ein, aber auf das Gehalt hat eine Herstellerqualifizierung in der Praxis wenig Einfluss. Dieses hängt von der Gesamtqualifikation ab und nicht von der einzelnen Zertifizierung. Inzwischen ist die Nachfrage nach einer CNE-Ausbildung so gering, dass für einige Ausbildungsunternehmen die Grenze der Wirtschaftlichkeit erreicht ist. Eine Hoffnung auf eine Erholung des angeschlagenen Novell-Schulungsmarktes ist nicht in Sicht. Besondere Karrierechancen lassen sich auch mit dem Titel eines CNE nicht mehr ableiten. Im Moment tendieren die Unternehmen nämlich mehr zu einer Microsoft-Zertifizierung.