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Italien: Der nächste Krisenkandidat?

Von Georg Friesenbichler

Europaarchiv

Wirtschaft überraschend geschrumpft. | Zweithöchste Verschuldung in Europa. | Rom/Wien. Im Infrastrukturministerium im Rom kann man unter Glas bewundern, welches Denkmal sich Silvio Berlusconi setzen will: Die Brücke von Messina, die Sizilien mit dem Festland verbinden soll. Sechs Milliarden Euro hat die Regierung für das Monsterprojekt gebilligt. Gleichzeitig liegt die Staatsverschuldung Italiens bei 114 Prozent, heuer dürfte sie den Prognosen zufolge auf 116,7 Prozent steigen - die höchste Verschuldungsquote Europas nach der von Griechenland (124,9 Prozent).


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Ende des vergangenen Jahres waren die Italiener noch optimistisch: Das Verbrauchervertrauen war so gut wie seit 2002 nicht mehr, Wirtschaftsminister Giulio Tremonti erwartete für heuer ein Wachstum des Bruttoinlandsprodukts um ein Prozent.

Die Hoffnungen erhielten am Freitag einen Dämpfer: Im letzten Quartal 2009 ist die Wirtschaft überraschend um 0,2 gegenüber dem Vorquartal geschrumpft, im Vergleich zum Vorjahr sogar um 2,8 Prozent. Die Industrie, von Regierungschef Berlusconi im November noch als Garant dafür gepriesen, dass die Krise Italien nicht so hart treffe wie andere europäische Länder, schwächelt.

Experten halten andere Gründe für ausschlaggebend, dass der Staat im Vergleich etwa zu Spanien noch gut dasteht. So sind die italienischen Haushalte weit sparsamer als ihre Regierung: Nur 60 Prozent der Familien sind mit 60 Prozent ihres Jahreseinkommens verschuldet, die Spanier liegen bei 130 Prozent. Damit geht allerdings gleichzeitig einher, dass die Konsumenten weniger ausgeben als in anderswo, die Binnennachfrage stagniert.

Geringe Kaufkraft,sparsamer Minister

Der stärkste Gewerkschaftverband des Landes, CGIL, macht den Steuerdruck dafür verantwortlich, dass die Kaufkraft so gering ist. Für den 12. März ruft er zu einem eintägigen Streik auf, um Steuersenkungen zu erreichen, andere Gewerkschaften wollen sich freilich nicht anschließen. Tremonti verspricht eine Steuerreform, die solche Maßnahmen beinhaltet, aber für frühestens 2013.

Eine sofortige Steuerreduzierung würde zu weniger öffentlichen Ausgaben führen, was sich Italien in der derzeitigen Lage nicht erlauben könnte. Haushaltsdisziplin und Einsparungen seien notwendig, sagt er. Nicht einmal große Konjunkturprogramme wie andere Länder hat der Wirtschaftsminister als notwendig angesehen. Die Bankenlandschaft ist relativ stabil. Soziale Unterstützung ist in Italien schwach ausgeprägt, daher droht auch keine Kostenexplosion. Das Budgetdefizit wuchs daher auch nur auf relativ bescheidene fünf Prozent an.

Langfristig könnte sich der Schuldenberg allerdings dennoch negativ auf die Leistungskraft Italiens auswirken, meinen Experten. Und Berlusconi ist weniger sparsam als sein Minister: Angesichts der Regionalwahlen Ende März stellt er rasche Steuersenkungen in Aussicht.

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