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Italien - ein Rücktritt wirft neues Licht auf das System Berlusconi

Von Rainer Mayerhofer

Analysen

"Wenn eine Schuld auf mich fällt, dann die, sehr oberflächlich gewesen zu sein", beteuerte Claudio Scajola, seit Dienstag zum zweiten Mal Exminister einer Regierung Berlusconi, im Interview mit Italiens politischem Starmoderator Bruno Vespa. Im Gespräch mit engen Freunden beklagte er sich, dass ihn sein enger Vertrauter Silvio Berlusconi fallen gelassen habe.


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Und Scajola fragte sich auch, wer die Hintergründe seines günstigen Wohnungskaufs vor sechs Jahren aufgerollt hat und was damit bezweckt wurde. Die italienische Regierung solle dadurch geschwächt werden. Oder die Franzosen könnten es gewesen sein, weil sie sich durch die von ihm angestrebte Rückkehr Italiens zur Atomenergie in ihren wirtschaftlichen Interessen beeinträchtigt fühlen könnten - oder die Amerikaner, denen das enge Verhältnis Berlusconis zu Putin missfalle, mutmaßte der Minister laut einem Bericht der Zeitung "La Repubblica".

Klar ist jedenfalls, dass Scajola, der zu den engsten Vertrauten Berlusconis gezählt wurde, eine teure Wohnung in bester Lage im Herzen Roms um 600.000 Euro erstanden und nebenbei ein zwielichtiger Bauunternehmer den Vorbesitzern weitere 900.000 Euro per Schecks hat zukommen lassen. "Ein Minister kann nicht in einer Wohnung leben, die von anderen bezahlt wurde", gibt sich Scajola nach seiner Demission einsichtig und er bereut, sich in der Vergangenheit zu wenig um seine eigenen Angelegenheiten gekümmert zu haben, weil er so viele Projekte gleichzeitig verfolgte.

Scajola ist aber nur ein besonders augenfälliges Beispiel dafür, wie in Italien Politik und Geschäfte ineinander verschränkt sind. Berlusconi, der Bauunternehmer und Medientycoon, hat dieses Modell jahrzehntelang vorgeführt und sich seinerzeit auf enge Freunde in der Christdemokratischen Partei und bei den Sozialisten unter Bettino Craxi gestützt - im Austausch gegen generöse Parteispenden, die nicht den gesetzlichen Normen entsprachen.

Als diese beiden Parteien Anfang der 90er Jahre im Korruptionssumpf versanken, stieg Berlusconi selbst in die politische Arena, um seine privaten Geschäftsinteressen auch in Zukunft zu sichern. Scajola war beim Aufbau der Berlusconi-Partei an führender Stelle tätig und galt als Architekt des Wahlerfolgs 2001.

Die Verfilzung von Politik und Geschäften blieb ein stets wiederkehrendes Thema der italienischen Politik und nicht zuletzt der Justiz. Die Enthüllungen über das Privatleben des Premiers, die im letzten Sommer die politischen Magazine ebenso füllten wie die Klatschpresse, werfen ein grelles Schlaglicht auf die Art von Politik, die unter Berlusconi die Oberhand gewonnen hat. Angesichts der jüngsten politischen Turbulenzen in seiner Koalition war der Fall Scajola offensichtlich der berühmte Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte.