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"Italien heute wie die DDR"

Von Rainer Mayerhofer

Europaarchiv

Premier sieht "Putsch der Richter und Eliten". | Frauen gehen gegen Berlusconi auf die Straße. | Wien/Rom. Er fühle sich heute in Italien wie seinerzeit in der DDR, wie ein Opfer der Stasi, verkündete der wegen seiner Affären schwer in Bedrängnis geratene italienische Regierungschef Silvio Berlusconi. Er sprach von einem "Putsch der Richter und der Eliten" und will die in den Neunzigerjahren abgeschaffte parlamentarische Immunität wieder einführen, um den gegen ihn anstehenden Prozessen zu entgehen. Die einzigen Richter, die würdig seien, über ihn zu urteilen, seien das Volk und das Parlament, findet Berlusconi.


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Die Richter, die Zeitungen und die Talk-Shows der Anti-Berlusconi-Lobby spielten sich die Karten in die Hand, die farcenhaften Untersuchungen seien des Films "Das Leben der anderen" würdig - der prompt im staatlichen Fernsehen gespielt wurde. Er sei manchmal, wie alle, ein Sünder, beichtete der Premier, aber seine puritanischen und jakobinischen Gegner hätten eine autoritäre Demokratie im Sinn.

Die Zeitung "la Repubblica" berichtete, dass Berlusconi am Donnerstag seine engsten journalistischen Freunde zusammengerufen hat, um eine publizistische Gegenoffensive zu starten. Unter anderem soll im staatlichen Fernsehen RAI ein Thema nur mehr einmal pro Woche in Talk-Shows vorkommen dürfen.

Besonders schmerzhaft empfindet Berlusconi seine zunehmende Isolation auf internationaler Ebene. Beim jüngsten Europäischen Rat hätten ihn alle wie ein Monster angeschaut, berichtete er engen Mitarbeitern. Alle Angriffe auf seine Person in Italien fänden sich in den ausländischen Zeitungen wieder. Die europäischen Führer glaubten, alles, was in den Zeitungen stehe, sei wahr.

In seinem Zorn hat Berlusconi Donnerstagabend Regional- und Provinzpräsidenten seiner Partei aufgefordert, Vertreter der auf Landesebene oppositionellen christdemokratischen UDC aus den jeweiligen Regierungen zu entfernen. Diese Aussagen wurden am Freitag von Berlusconis Umgebung aber schon wieder relativiert. UDC-Chef Pier Ferdinando Casini meinte zu den jüngsten Auslassungen Berlusconis: "Er hat offensichtlich den Kompass verloren."

Am Freitagabend traf sich Berlusconi mit Staatspräsident Giorgio Napolitano, der Plänen des Premiers für neue Regierungsdekrete über das Verbot von Abhörmaßnahmen eine eindeutige Abfuhr erteilt hatte.

Finis Partei startet Gründungskongress

In Mailand eröffnete unterdessen am Freitag der Präsident des Abgeordnetenhauses, Gianfranco Fini, den Gründungskongress seiner Mitte-Rechts-Partei "Zukunft und Freiheit in Italien" (FLI), die am Sonntag offiziell aus der Taufe gehoben werden soll.

Ebenfalls am Sonntag wollen Italiens Frauen landesweit auf die Straße gegen, um gegen das Frauenbild zu demonstrieren, das von Medien und der Politik vermittelt wird. Sie wollen damit auf die Affären Berlusconis reagieren.