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Italien ist noch kein Pleitekandidat - es könnte aber rasch zu einem werden

Von Hermann Sileitsch

Analysen

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Zugegeben: Auf den ersten Blick sieht Italiens Finanzlage dramatisch aus. Mit Schulden von 1800 Milliarden Euro oder 120 Prozent der Wirtschaftsleistung ist das Land natürlich gefährdet, in den sattsam bekannten Teufelskreis der Euro-Schuldenkrise abzugleiten: Investoren verlieren das Vertrauen, verlangen höhere Risikoprämien oder meiden die Schuldpapiere des Staates zur Gänze. Zugleich reagieren die Ratingagenturen mit Bonitätsabstufungen. Beides steigert die Zinslasten. Die Verschuldung wird dadurch weiter verschärft, die Spirale dreht sich noch schneller.

Beschließt die Regierung daraufhin Sparpakete, so nährt das Sorgen um die Konjunktur. Und wenn die Wirtschaft nicht wächst, wird jede Haushaltssanierung zur Illusion. Diese fatale Spirale wird westliche Industriestaaten noch jahrzehntelang begleiten.

Dennoch stehen nicht alle Länder mit hoher Verschuldung gleich schlecht da. Würden Investoren rein rational urteilen, müssten sie erkennen, dass Italien weder Irland noch Portugal und schon gar nicht Griechenland ist - und somit (zumindest im Moment noch) kein Pleitekandidat.

Zwar sind die Schulden exorbitant, die Zinsen hoch, das Wachstum schwach. Die Zahlungsfähigkeit eines Landes hängt aber noch von anderen Faktoren ab. So ist das italienische Leistungsbilanzdefizit mit 3,5 Prozent relativ gering. Der Staat ist weniger im Ausland verschuldet als andere - Italiens private Haushalte sitzen sogar auf großen Sparguthaben. Zyniker der Macht würden hier Spielraum für Steuererhöhungen sehen.

Die Konditionen für die Rückzahlung der Schulden sind noch akzeptabel: Die Laufzeiten der Staatsanleihen sind mit durchschnittlich sieben Jahren eher lang; bisher waren die Zinsen mit 4 Prozent relativ günstig. Somit haben die Italiener einen längeren Atem, um steigende Zinsen zu verkraften.

Besonders wichtig: Anders als die Griechen erzielen die Italiener einen Überschuss im Primärhaushalt. Klammert man Zinszahlungen aus, nehmen sie also mehr ein, als sie ausgeben. Damit ist die Grundvoraussetzung für eine sinkende Schuldenquote und erfolgreiche Sanierung gegeben.

Außerdem hat der Senat in Rom (begleitet von einer Politposse, aber immerhin) bewiesen, dass er Sparpakete beschließen kann. Das größte Risiko ist dennoch die Politik. Premier Silvio Berlusconi ist wegen seiner Affären stehend k.o., ihm ist kaum zuzutrauen, das Ruder herumzureißen. Verstrickt sich Italien jetzt in schmutzige Querelen oder Nachfolgekämpfe, statt die Wirtschaft auf Kurs zu bringen, führt der Weg direkt in den Abgrund.