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Italien schaut auf drei Schwangere

Von Rainer Mayerhofer

Europaarchiv

Vier schwankende und drei schwangere Abgeordnete machen Votum spannend. | Römische Justiz ermittelt wegen Vorwürfen des Stimmenkaufs. | Wien/Rom. Die Frage, ob die drei schwangeren Abgeordneten heute, Dienstag, an der Misstrauensabstimmung im italienischen Abgeordnetenhaus teilnehmen können und wie die vier noch unentschlossenen Mandatare stimmen werden, machten am Montag Voraussagen über die Zukunft der Regierung Berlusconi zur reinen Spekulationssache. | Italiens Linksopposition vor Gratwanderung | Postenschacher im Rom - Rechte unter Druck


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Zwei der drei schwangeren Mandatarinnen gehören zu Gianfranco Finis neuer Partei FLI, eine kommt aus der demokratischen Partei (PD). Von den unentschlossenen Abgeordneten zählen ebenfalls zwei zum Fini-Lager. Silvana Moffo und ihre Parteikollegin Maria Grazia Siliquini überlegten eine Stimmenthaltung, berichteten italienische Medien am Montagnachmittag. Auch der Sizilianer Domenico Scilipoti, bis vor wenigen Tagen Abgeordneter der Oppositionspartei Italia dei Valori (Italien der Werte - IdV) von Antonio Di Pietro, und der Norditaliener Ciman Massimo Calearo - 2008 als PD-Abgeordneter gewählt und nach zweimaligen Parteiwechsel inzwischen wilder Mandatar - waren am Montag noch unentschieden. Die beiden Abgeordneten der Südtiroler Volkspartei, Siegfried Brugger und Karl Zeller, hatten sich schon frühzeitig für eine Stimmenthaltung entschieden.

Nach einer Prognose der Zeitung "la Repubblica" waren zu Wochenbeginn 313 der insgesamt 630 Abgeordneten entschlossen, Berlusconi das Misstrauen auszusprechen, 311 wollten den Regierungschef weiter im Amt sehen.

Anzeigen Di Pietros wegen Stimmenkauf

IdV-Chef Antonio Di Pietro hat wegen angeblichen Stimmenkaufs - zwei seiner Abgeordneten hatten sich in den letzten Tagen von seiner Fraktion getrennt - Anzeigen wegen Stimmenkaufs erstattet. Die römische Staatsanwaltschaft leitete Ermittlungen wegen möglicher Korruption von Parlamentariern ein.

Ein sichtlich angeschlagener Berlusconi warnte am Montagvormittag in einer halbstündigen Rede im Senat vor den Folgen seines Sturzes für die Stabilität seines Landes. Er bot den gemäßigten Parteien - allen voran der oppositionellen christdemokratischen UDC seines Ex-Verbündeten Pier Ferdinando Casini - einen neuen Pakt an.

Berlusconi appellierte an die Abgeordneten der neuen Fini-Partei FLI (Futuro e Liberta per Italia - Zukunft und Freiheit für Italien), keinen Verrat an den Wählern von 2008 zu verüben, deren Stimmen sie ins Parlament geschickt hätten. Er wünschte den FLI-Abgeordneten, dass sie eine Nacht reflektieren sollten und ihnen die Nacht Rat bringen solle.

Nervös verfolgte Berlusconi die anschließende Debatte im Senat und häufte vor sich einen Berg von Zuckerlpapieren an. Mehrmals nickte Berlusconi ein.

Am Abend gab Berlusconi dann eine weitere Regierungserklärung in der Abgeordnetenkammer ab, wo sich heute sein Schicksal entscheidet.

Bossi tritt weiterhin für Neuwahlen ein

Berlusconis engster Verbündeter, Lega-Nord-Chef Umberto Bossi, lobte nur wenige Minuten nach dem Senatsauftritt des Premiers dessen Rede als hervorragend, stellte aber auch unmissverständlich klar, dass man mit einer Stimme Vorsprung nicht regieren könne. Die einzige Lösung seien Neuwahlen. Bossi erteilte auch Spekulationen, Wirtschaftsminister Giulio Tremonti könnte Berlusconi ablösen, eine Absage: "Tremonti ist nicht dumm. Er will in einer derartigen Situation sicher nicht regieren. Nur der verrückte Berlusconi kann das tun."

Kühl aufgenommen wurde Berlusconis Rede von Zentrumsparteien UDC und FLI. UDC-Chef Casini meinte, dass Berlusconi nur glaubwürdig sei, wenn er vor der Abstimmung im Abgeordnetenhaus zurücktrete. Eines Stimme Mehrheit bei Vertrauensvotum würde dem Regierungschef nur zu Neuwahlen verhelfen, meinte Casini.

Für die FLI sprach deren Parteikoordinator Adolfo Urso, der bis vor wenigen Tagen noch Europaminister in der Regierung Berlusconis war, von einer enttäuschenden Erklärung, die substantiell nur defensiv gewesen und nicht auf die Entwicklungs- und Wachstumsbedürfnisse der Italiener eingegangen sei.

Internes Tauziehen in der FLI bis zuletzt

Die Senatoren und Abgeordneten der Fini-Partei rangen bis zuletzt um ein gemeinsames Vorgehen, nachdem am Wochenende sechs Mandatare gemeinsam mit zehn Abgeordneten der Berlusconi-Partei PdL einen Aufruf zur Verständigung unterzeichnet hatten. Fini hatte noch am Wochenende von einem kompakten Stimmverhalten seiner Fraktion gesprochen, am Montag aber den Verrat einiger Abgeordneter befürchtet.

Berlusconis Rede habe nichts Neues gebracht, meinte Oppositionsführer Pier Luigi Bersani (PD): "Ein bisschen Stock und ein bisschen Karotte. Das was am meisten betroffen macht, ist die Tatsche, dass in dieser Rede kein Schimmer vom Wissen um die Probleme des Landes war." Antonio Di Pietro bezeichnete Berlusconi als kleinen Diktator, der in seinem Bunker eingeschlossen ist und zu sich selber spricht.