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Italien steuert auf Neuwahlen zu - jetzt macht auch Lega Nord Druck

Von Rainer Mayerhofer

Analysen

Die derzeitige politische Lage in Italien sei ein "bailamme", konstatierte Staatspräsident Giorgio Napolitano mit einem altitalienischen Wort aus dem 18. Jahrhundert, das man wohl am treffendsten mit Tohuwabohu übersetzt. Noch vor wenigen Tagen hatte ihm Ministerpräsident Silvio Berlusconi in einem langen Telefongespräch versichert, dass er im September versuchen wolle, für ein neues Regierungsprogramm eine Mehrheit zu suchen, um Neuwahlen zu vermeiden.


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In der Zwischenzeit steuert aber alles auf Neuwahlen zu. Berlusconis einzig verbliebener Koalitionspartner, Lega-Nord-Chef Umberto Bossi, der in der Vorwoche Journalistenfragen nach Neuwahlen noch mit einem erhobenen Mittelfinger beantwortet hat, drängt nach einer 180-gradigen Kehrtwendung plötzlich auf einen baldigen Urnengang und hat zu alter Wortgewaltigkeit zurückgefunden. "Wir stecken in einem Sumpf, deshalb müssen wir so bald wie möglich wählen", tönte Bossi am Rand der Wahl zur Miss Padania, wo er Jurypräsident ist. Er ist sich sicher, dass er und Berlusconi die meisten Stimmen erhalten werden.

Für den abtrünnigen Gianfranco Fini hat der norditalienische Politiker nichts als Häme übrig. Fini habe seine Partei an Berlusconi verkauft und die Mehrheit, die ihn zum Präsidenten des Abgeordnetenhauses gewählt hat, stehe nicht mehr hinter ihm. Deshalb müsse er zurücktreten.

Bossi stößt damit ins gleiche Horn wie Berlusconi. Dessen Zeitung "Il Giornale" sammelt bereits Unterschriften für Finis Rücktritt und tritt seit Tagen die Skandalgeschichte um einen Wohnungsverkauf in Monaco breit, von dem Finis Schwager profitiert haben soll.

Finis Anhänger sind auch nicht mundfaul. Italo Bocchino, Fraktionschef der neuen Fini-Partei Futuro e Liberta (Zukunft und Freiheit) etwa meint, wenn jemand zurücktreten müsse, dann sei es Berlusconi, gegen den einige Verfahren laufen, und er solle auch gleich einige seiner Regierungsmitglieder, gegen die ebenfalls Untersuchungen laufen, mitnehmen.

Berlusconi selbst greift auch tief in die unterste Lade: "Wir werden Fini pulverisieren", verkündete er seiner engsten Umgebung. Der Premier hofft, dass seinem Ex-Partner die Anhänger abhanden kommen. Eine hat ja schon erklärt, dass sie ihn nicht mehr wählen werde: Donna Assunta Almirante, die Witwe des seinerzeitigen Neofaschistenführers Giorgio Almirante.

Im Lager der Opposition, wo bisher Antonio Di Pietro (Italien der Werte) für sofortige Neuwahlen und der Chef der Demokratischen Partei Pier Luigi Bersani für eine Übergangsregierung auf Expertenebene unter Einschluss aller politischen Kräfte eingetreten sind, zeichnet sich eine Verständigung auf ein technisches Übergangskabinett mit Ablaufdatum ab. Hauptaufgabe dieser Regierung wäre die Schaffung eines neuen Wahlrechts. Ob das im herrschenden Klima in kurzer Zeit möglich ist, ist allerdings mehr als fraglich.