Einigen sich Lega und Fünf Sterne, stellt das die italienische Wirtschaft vor große Probleme.
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Rom/Wien. "Ich bin von der aktuellen politischen Situation total enttäuscht", sagt Paola. Die 28-jährige Italienerin lebt in Matera, im Süden Italiens, und hat bei den Parlamentswahlen am 4. März die Lega unterstützt. Mit rund 17 Prozent der Wählerstimmen holte Lega-Chef Matteo Salvini das beste Ergebnis des Mitte-rechts-Bündnisses, angeführt von Silvio Berlusconi.
"Ich wollte, dass die Lega die Mehrheit bekommt und alleine regiert. Ich weiß nicht, wie Salvini seine Wahlversprechen umsetzen kann mit den Fünf Sternen. Die sind inkompetent und ohne Erfahrung", sagt die Studentin.
Obwohl Salvini auf gutem Weg in die neue Regierung Italiens ist, freuen sich viele Anhänger der EU-kritischen und ausländerfeindlichen Partei, die vor allem im Norden des Landes populär ist, nur mäßig. Denn Salvini muss sich dafür Luigi Di Maio und dessen Fünf-Sterne-Bewegung annähern, die in vielen Bereichen ganz andere Positionen vertritt.
Die populistische und ebenfalls EU-kritische Bewegung versprach vor den Wahlen alles anders zu machen, als alle Parteien in Regierungsverantwortung zuvor und lehnte vor wie nach den Wahlen eine Koalitionsregierung ab. Mit diesen und anderen Versprechen wurde die Bewegung mit 32 Prozent die stärkste Partei.
Nachdem Berlusconi vergangene Woche nach langem Zögern beschlossen hatte, sich nicht mehr gegen Verhandlungen zwischen der verbündeten Lega und der Fünf-Sterne-Bewegung zu wehren, konnten sich Salvini und Di Maio laut eigenen Angaben am Wochenende in zentralen Projekten annähern. Als Premierminister akzeptieren die beiden Parteispitzen den jeweils anderen jedoch nicht.
Bei den Gesprächen der beiden Parteichefs mit Präsident Sergio Mattarella am Montag wird es wohl auch stark darum gegangen sein, wer die mögliche Koalition anführen wird.
Berlusconi, der Puppenspieler
Mögliche Kandidaten haben sich bereits in Position gebracht. So verlautbarte der Turiner Wirtschaftsexperte Giulio Sapelli seine Bereitschaft, das Premieramt zu übernehmen, auch der Universitätsprofessor und Rechtsanwalt Giuseppe Conte gilt als möglicher Kandidat für den Posten. Laut Medienberichten sollen sich die Parteien bereits auf Giulio Tremonti geeinigt haben. Der Jurist war bereits vier Mal Finanz- und Wirtschaftsminister - unter Berlusconi als Premier.
Ein Umstand, der Fünf-Sterne-Wähler beunruhigt, wie etwa Matteo: "Mich erschreckt die Möglichkeit, dass jemand anderer die Fäden im Hintergrund zieht - und das ziemlich offensichtlich." Der 27-jährige Doktorand aus Sizilien befürchtet, dass Berlusconi der Puppenspieler der neuen Regierung sein wird. Denn für die Fünf-Sterne-Unterstützer steht der Medienmogul genau für die Art von Politiker, die Italien mit reinem Eigeninteresse und Korruption heruntergewirtschaftet haben.
Auf wen auch immer sich Salvini und Di Maio einigen, das letzte Wort hat Staatspräsident Mattarella. Stimmt er dem Vorschlag zu, könnte eine neue Regierung bereits am Wochenende stehen. Ohne Einigung sind allerdings Neuwahlen wahrscheinlich.
Und darüber würde sich aktuell die Forza Italia am meisten freuen. Denn nur drei Tage nachdem der Ex-Premier den Weg für seinen Bündnispartner freigemacht hat, erklärte am Samstag ein Mailänder Gericht, das wegen Steuerbetrug verhängte Ämterverbot gegen den 81-Jährigen werde wegen "guter Führung" um ein Jahr verkürzt. Berlusconi könnte im Falle von Neuwahlen also bereits heuer antreten. Nach der Rehabilitierung wird Berlusconi wohl wieder versuchen, eine einflussreichere Rolle innerhalb der Mitte-rechts-Koalition einzunehmen.
Teure Wahlversprechen
"Von einer Regierung der Lega und der Fünf Sterne erwarte ich ein Gleichgewicht, das zu starken Schritten führen könnte, die bei einer technischen Regierung nicht anders wären", gibt sich Matteo trotz der Sorge zuversichtlich.
Dabei kommt rein wirtschaftlich gesehen kaum Freude auf. Die Wahlversprechen der Lega wie der Fünf-Sterne kosten jährlich viele Milliarden Euro und keine der Parteien hat je vorgerechnet, wie etwa ein Grundeinkommen in der Höhe von 17 Milliarden Euro pro Jahr (Fünf Sterne) oder Einbußen von 80 Milliarden Euro bei der Einführung einer Pauschalsteuer von 15 Prozent (Lega) finanziert werden sollen.
Auch wenn sich die neue Regierung auf einen pragmatischen Weg einigt und gewisse Wahlversprechen nur teilweise und schrittweise umsetzt, so hat keine der beiden möglichen Regierungspartner einen Plan vorgelegt, wie Italien seinen Verpflichtungen nachkommen will.
Das Land muss nämlich sein Staatsdefizit senken und sparen, denn die Verschuldung des Landes beträgt 130 Prozent der Wirtschaftsleistung. Italien belegt damit den vorletzten Platz in der Eurozone vor Griechenland. Von einem ausgeglichenen Haushalt wollen die beiden Parteien auch nichts wissen, die Lega will die Defizitquote sogar erhöhen. Di Maio tritt wiederum für die Stabilisierung des Defizits bei 1,5 Prozent ein. Und das ist nur einer der vielen Unterschiede der beiden Regierungsparteien in spe, die es zu fruchtbaren Kompromissen zu überwinden gilt.