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Italien unter der Aufsicht des IWF

Von Rainer Mayerhofer

Politik

Rom stimmte Bewertung seines Sparprogramms durch Währungsfonds zu.


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Cannes/Rom. Unter den Druck der Schuldenkrise musste Italiens Regierungschef Silvio Berlusconi am Freitag beim G20-Gipfel in Cannes die Zustimmung dazu geben, dass sein Reform- und Sparprogramm außer von der EU-Kommission auch vom Internationalen Währungsfonds (IWF) bewertet wird.

Die Regierung in Rom bestritt aber, dass das Land unter IWF-Kuratel gestellt werde. EU-Vizepräsident Antonio Tajani, ein enger Vertrauter Berlusconis, betonte, dass die Zusammenarbeit mit internationalenInstitutionen nicht als Überwachung gesehen werden dürfe.

Auch EU-Präsident Herman Van Rompuy bemühte sich, die Optik für Berlusconi zu entschärfen und wies Berichte, es habe ein Diktat gegen Italien gegeben, sein Reform- und Sparprogramm auch vom IWF bewerten zu lassen, zurück. Italien, dessen Lage sich von der Griechenlands völlig unterscheide, habe selbst den IWF eingeladen. EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso sagte in einer Pressekonferenz, durch diesen Schritt solle Vertrauen an den Märkten geschaffen und die Finanzierung der Schuldenlast erleichtert werden. Bisher war nur die EU-Kommission beauftragt, die italienischen Reformschritte zu überwachen.

Berlusconi selbst versicherte, dass die Bewertung Italiens durch den IWF keine Beschneidung der Souveränität seines Landes sei. Der IWF werde kein Urteil über die Reformen abgeben, sondern lediglich bezeugen, dass die mit der EU vereinbarten Maßnahmen umgesetzt werden.

Expertenkommission derEU nächste Woche in Italien

Die EU wird in der kommenden Woche eine Expertenkommission zur Einschätzung der Lage nach Italien entsenden. Sie muss sich damit auseinandersetzen, wie Italien seine Versprechungen von Reformen im Pensionswesen, auf dem Arbeitsmarkt und im Wettbewerb verwirklicht.

Ein von den Strapazen der letzten Tage gezeichneter Berlusconi selbst war beim G20-Gipfel bemüht, Zweifel am Zusammenhalt seiner Regierung zu zerstreuen. Er zeigte sich bei der Ankunft in Cannes sogar in trauter Zweisamkeit mit seinem Finanzminister Giulio Tremonti. Noch am Mittwoch beim Sonderministerrat, in dem Berlusconi ein Dekret verabschiedet haben wollte, das ihm beim Cannes-Gipfel vor der Kritik seiner Partner verschont hätte, war es zu einem heftigen Schlagabtausch der beiden gekommen. Tremonti hatte sich gegen dieses Dekret entschieden zur Wehr gesetzt, nachdem er schon den Brief Berlusconis an die EU in der Vorwoche nicht unterzeichnet hatte, in dem die italienische Regierung ihr Sparprogramm äußerst kursorisch dargelegt hatte. Berlusconi möchte den international angesehenen Tremonti, der immer wieder als ein möglicher Nachfolger gehandelt wird, seit Monaten loswerden.

Gipfel-Hausherr Nicolas Sarkozy war in seinen Worten gegenüber Italien sehr explizit, indem er meinte, man habe mit großem Interesse die von der italienischen Regierung geplanten Maßnahmen zur Kenntnis genommen, aber die Kernfrage sei nicht der Inhalt des Pakts, sondern wie es angewandt wird.

Berlusconis Mehrheitim Parlament zerbröselt

Während Berlusconi auf dem internationalen Parkett seine Schwierigkeiten hat, zerbröselt ihm daheim seine Mehrheit im Parlament, die er sich nach dem Bruch mit seinem Partner Gianfranco Fini vor einem Jahr mühsam zusammengerafft hatte.

Nachdem am Mittwoch zwei Abgeordnete seiner Partei zur oppositionellen christdemokratischen UDC des früheren Kammerpräsidenten Pier Ferdinando Casini übergetreten sind, und drei weitere das Regierungsbündnis verlassen haben, verfügt die Regierung nur noch über 314 sichere Stimmen im Abgeordnetenhaus - von insgesamt 630. Nach Medienberichten stehen vier bis fünf weitere PdL-Abgeordnete vor dem Absprung.

Berlusconi übte sich in einer Pressekonferenz in Cannes in Zweckoptimismus: "Wer die PdL verlassen hat oder daran denkt, sie zu verlassen, wird es sich überlegen, wenn er mit mir gesprochen hat, auch deshalb, weil in diesem Moment ein Ausscheiden aus der Mehrheit ein Verrat gegenüber dem Land ist." Der Premier ist überzeugt, dass er nach wie vor über eine Mehrheit verfügt, und will trotz Warnungen aus den eigenen Reihen am kommenden Dienstag bei der Abstimmung über das Gesetzesdekret zur Stabilisierung erneut die Vertrauensfrage stellen. "Wir haben eine solide Regierung und werden weiterhin das Land führen. Ich sehe keine anderen Persönlichkeiten, die in der Lage wären, Italien würdevoll zu repräsentieren."

Francesco Storace, einst Gouverneur des Mitte-Rechts-Lagers von Latium und Gesundheitsminister unter Berlusconi, heute Führer einer rechtsextremen Minipartei, erregte mit einer Wortmeldung zu den Parteiüberläufern die durch Politikertiraden abgehärteten Italiener: "Parlamentarier, die den Rock wechseln, sollte man erschießen, mit Salven in den Rücken."