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Berlusconi regierte fünf Jahre lang ohne Rücksicht auf die Opposition. | Prodi muss sein heterogenes Lager erst konsolidieren. | Nachdem er fünf Jahre lang grundlegende Gesetze wie das Wahlrecht, Justizreformen und eine Änderung der Verfassung gegen den heftigen Widerstand der Opposition und auch eines wesentlichen Teils der Bevölkerung durchgepeitscht hatte, entdeckt Silvio Berlusconi plötzlich seine Liebe zur großen Koalition. Vor wenigen Tagen noch hat er seine politischen Gegner vulgär beschimpft, aber nach geschlagener und verlorener Wahl ist er sofort bereit, mit den "coglioni" ein Bündnis einzugehen.
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Es wird nicht dazu kommen. Romano Prodi hat dem scheidenden Premier schon ausgerichtet, dass er keine Absicht hat, mit einer anderen Allianz zu regieren als jener, mit der er in die Wahlen gegangen ist. Prodi muss erst sein heterogenes Lager konsolidieren und der Chef der Rifondazione comunista, Fausto Bertinotti, der Prodi schon einmal gestürzt hat, hat unmissverständlich zu verstehen gegeben, dass er für eine große Koalition nicht zu haben ist.
Große Koalitionen haben in Italien keine Tradition. Nachdem in der unmittelbaren Nachkriegszeit die damalige Kommunistische Partei aus der von den Christdemokraten geführten Regierung ausgebootet wurde, hat es nur einmal kurz in den späten Siebzigerjahren so etwas wie eine große Koalition gegeben. Das unter dem Motto "historischer Kompromiss von KPI-Chef Enrico Berlinguer angedachte Modell hat sich aber auf eine Duldung der christdemokratischen Regierung durch die KPI beschränkt und außerdem nicht bewährt.
Das Mitte-Linksbündnis hat bei diesen Wahlen erstmals in der Geschichte Italiens - wenn auch nur knapp - bei Parlamentswahlen eine Stimmenmehrheit errungen. Der Sieg der Ulivo-Koalition 1996 kam ja nur zustande, weil sich Berlusconi damals mit der Lega Nord auf kein Wahlbündnis einigen konnte und wegen des von ihm wieder abgeschafften Mehrheitswahlrechts das Nachsehen hatte. Die umstrittene Änderung des Wahlrechts hat zu einer deutlichen Polarisierung geführt. Das Prodi-Lager bekam um rund 2,5 Millionen Stimmen mehr als 2001, Berlusconis Bündnis rund 570.000 Stimmen. Das deutet darauf hin, dass die Italiener ihre Stimmen sehr bewusst abgaben und keine große Koalition gewählt haben.