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Italien zieht ab Herbst Truppen aus dem Irak ab

Von Rainer Mayerhofer

Politik

Nur wenige Stunden nachdem das italienische Abgeordnetenhaus mit den Stimmen der Regierungsparteien das Mandat der italienischen Truppen im Irak um sechs Monate verlängert hatte, gab Ministerpräsident Silvio Berlusconi Dienstagabend überraschend in der Talkshow "Porta a Porta" im staatlichen Fernsehen RAI bekannt, dass Italien ab September mit dem Abbau seiner Truppen im Irak beginnen werde.


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Berlusconi begründete seine Ankündigung damit, dass die öffentliche Meinung diese Entscheidung fordere. Politbeobachter und die Opposition vermuten wohl nicht zu unrecht, dass der Regierungschef mit diesem Schritt die Chancen seiner Koalition bei den Anfang April stattfindenden Regionalwahlen verbessern will, wo laut jüngsten Umfragen die Opposition deutlich voran liegt.

Oppositionsführer Romano Prodi und der Chef der Linksdemokraten, Piero Fassino, begrüßten zwar die Ankündigung des Truppenrückzugs, kritisierten aber, dass der Regierungschef sie nicht - wie man hätte erwarten können - im Parlament, sondern in einer TV-Talkshow gemacht hat.

Berlusconi hat mit seiner Ankündigung nicht nur die Opposition überrascht, sondern auch die eigenen Koalitionspartner. Sein Außenminister Gianfranco Fini von der Alleanza Nazionale hatte noch Stunden zuvor in einem Interview mit dem französischen Nachrichtenmagazin "Le Point" einen Rückzug ausgeschlossen.

Der Ruf nach einem Rückzug der italienischen Truppen war aber in der italienischen Öffentlichkeit angesichts von 28 im Irak getöteten Landsleuten immer stärker geworden. Der Tod des Geheimdienstmannes Nicola Calipari, der nach der Freilassung der Journalistin Giuliana Sgrena am 4. März von US-Soldaten auf dem Weg zum Bagdader Flughafen erschossen worden war, hatte die Stimmung endgültig gekippt. Schon zuvor hatten in Rom hunderttausende Menschen für einen Truppenabzug demonstriert, um die Freilassung Sgrenas aus irakischer Geiselhaft zu erreichen.

Die USA wollen keinen Zusammenhang zwischen dem Fall Calipari und dem nun angekündigten Truppenabzug sehen. Es gebe keinerlei Verbindung, meinte der Sprecher des Weißen Hauses, Scott McClellan und Außenministerin Condoleezza Rice lobte die Italiener, die im Irak "tapfer gedient" hätten. Sie vertraue darauf, dass die Entscheidung über die italienischen Truppen so koordiniert werde, dass die Mission im Irak nicht gefährdet ist, sagte Rice.

Kalt erwischt wurde auch der britische Premier Tony Blair, der von einer Missinterpretation der Ankündigung Berlusconis sprach, da dieser keine Frist für einen Abzug gesetzt habe.

Italien hat derzeit 3.160 Mann im Irak stationiert, die nun in Abstimmung mit den Verbündeten stufenweise abgezogen werden sollen. Außer den italienischen Truppen sollen im April die 800 niederländischen, im Oktober 1.600 ukrainische und bis zum Jahresende 1.700 polnische und 450 bulgarische Soldaten den Irak verlassen.