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Italiener erteilten Wünschen nach Mehrheitswahlrecht klare Abfuhr

Von Rainer Mayerhofer

Politik

Rom - Nur rund 32 Prozent der 49 Millionen wahlberechtigten Italiener nahmen Sonntag an der Volksabstimmung über die Einführung des Mehrheitswahlrechts teil, 17 Prozent weniger als am 18. April des Vorjahres, als ein derartiges  Referendum schon einmal am mangelnden Wählerinteresse gescheitert war. Oppositionschef Silvio Berlusconi, der zum Boykott des Referendums aufgerufen hatte und die Beteiligung zu einer Abstimmung über die erst seit drei Wochen im Amt befindliche Regierung von Giuliano Amato umfunktionieren wollte, sieht sich als eindeutiger Sieger und forderte die Einsetzung einer aus Technokraten zusammengesetzten Übergangsregierung und baldige Neuwahlen. Amato ging auf Distanz zu der gescheiterten Volksabstimmung und lehnte einen Rücktritt ab.


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Tatsächlich gibt es bei dem neuerlich gescheiterten Wahlrechtsreferendum zahlreiche Verlierer und Gewinner und die Zuteilung kann nicht nach dem Regierungs-Oppositionsschema erfolgen.

Für die Einführung des Mehrheitswahlrechtes hatten sich vor allem die beiden stärksten Gruppen der Mitte-Links-Koalition von Ministerpräsident Amato, die Linksdemokraten (DS) und die von EU-Kommissionspräsident Romano Prodi gegründete Partei der Demokraten stark gemacht, aber auch die zum Berlusconi-Bündnis zählende Alleanza Nazionale unter ihrem Parteichef Gianfranco Fini und die ehemalige EU-Kommissarin Emma Bonino, die nach ihrem Erfolg bei den EU-Wahlen im Vorjahr nun nach den Regionalwahlen ihr zweites  Debakel erlebte.

Ebenso bunt wie der Bogen der Referendumsbefürworter war aber auch die Gruppe der Gegner. Da fanden sich Berlusconis Forza Italia mit ihrem alt-neuen Bündnispartner von Umberto Bossis Lega Nord Seite an Seite mit Fausto Bertinottis Altkommunisten von der Rifondazione Comunista. Und natürlich waren auch die Splittergruppen, die von der einstigen Langzeitregierungspartei Democrazia Cristiana übriggeblieben sind und die versprengten Reste der Sozialistischen Partei gegen ein eindeutiges Mehrheitswahlrecht, das ihr parlamentarisches Aus bedeutet hätte.

Ein reines Mehrheitswahlrecht hätte den Einfluss dieser Splittergruppen - im derzeitigen italienischen Parlament sind 40 Parteien vertreten - stark zurückgedrängt. Es sollte sicherstellen, dass dadurch die Regierungen stabiler und langlebiger werden. Seite dem Kriegsende hat Italien bereits 58 Regierungen gehabt, allein seit den letzten Wahlen im Jahr 1996 waren bisher vier Kabinette unter drei verschiedenen Regierungschefs - Romano Prodi, Massimo D´Alema und Giuliano Amato - im Amt.

Im Detail hatten die Wähler bei der Volksabstimmung zu entscheiden, ob bei den Parlamentswahlen weiterhin ein Viertel der Sitze mittels Verhältniswahlrecht vergeben oder ob diese Bestimmung abgeschafft werden soll. Die restlichen drei Viertel der insgesamt 630 Mandate werden bereits nach heute geltendem Recht durch Mehrheitswahlrecht vergeben.

Das Scheitern der Volksabstimmung gilt als neuerliche Schlappe für die Mitte-Links-Regierung. Der erst seit drei Wochen amtierende Ministerpräsident Giuliano Amato lehnte aber Konsequenzen ab. Er trete nur bei einem Misstrauensvotum im Parlament zurück. Amato und Berlusconi forderten übereinstimmend, das Parlament müsse nun ein neues Wahlrecht verabschieden. Beide plädierten für das "deutsches Modell" mit einer Fünf-Prozent-Hürde.

Besondere Enttäuschung machte sich nach dem Scheitern der Referenden am Sonntag in den Reihen der Radikalen Partei Emma Boninos breit. Berlusconi, der einstige Verbündete, der zum Fernbleiben von den Wahlurnen aufgerufen hatte wurde als unverantwortlich bezeichnet. Außerdem erhoben die Radikalen die Forderung, bei künftigen Referendum die Bestimmung aufzuheben, dass sie erst bei einer Beteiligung von 50 Prozent der Wähler gültig sein sollen.

Interne Auseinandersetzungen zeichnen sich bei den anderen Verlierern ab. In der Partei der Demokraten forderte der populäre Bürgermeister von Palermo, Leoluca Orlando, bereits den Rücktritt von Parteichef Arturo Parisi. Der linke Flügel der Linksdemokraten forderte eine echte parteiinterne Diskussion nach der zweiten Niederlage innerhalb von wenigen Wochen. Parteichef Walter Veltroni ließ seinen parteiinternen Kritikern durch seinen Vize Pietro Folena mitteilen, dass sie mit ihrem Aufruf, beim Wahlrechtsreferendum mit Nein zu stimmen angesichts von nur knapp 18 Prozent Jastimmen auch ein lächerliches Ergebnis erreicht hätten. Die wirklichen Verlierer seien Marco Panella und Emma Bonino von den Radikalen, die das Mittel des Referendums mißbraucht hätten, nicht zuletzt, um auf Sozialem Gebiet Verschlechterungen herbeizuführen.

Und auch AN-Chef Gianfranco Fini blieb parteiintern nicht ungeschoren.

Groß die Freude dagegen bei den Referendumsgegnern: Der Chef der Volkspartei (PPI) Pierluigi Castagnetti sieht eine Lektion für seinen Regierungspartner, die Linksdemokraten, Kommunistenchef Bertinotti eine Niederlage für die "Anhänger der amerikanischen Partei" und Lega-Chef Bossi sieht im Wahlausgang einen grossen Sieg des Volkes und der Freiheit und eine Absage an die Regierung. "Indem die Wähler nicht an die Urnen gingen, haben sie gesagt, ihr seid nicht mehr glaubwürdig, geht nach Hause."

In den sechs anderen am Sonntag zur Abstimmung gestellten Referenden ging es um Arbeitsrecht und Justiz. Damit sollten die Befugnisse von Untersuchungsrichtern eingeschränkt werden. So sollten sie künftig nicht mehr in Fällen als Richter tätig sein, in denen sie selbst ermittelt haben. Mit der Reform des Arbeitsrechts sollten die Rechte der Arbeitgeber ausgeweitet werden, um die Wettbewerbsfähigkeit der italienischen Wirtschaft zu stärken. Wegen der geringen Beteiligung scheiterten auch diese Punkte alle.