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Italienische Verhältnisse

Von Reinhard Göweil

Leitartikel

Die Wirtschaftsdaten Italiens sind schlecht. Der Einzige, der sie sich schönredet, ist Regierungschef Berlusconi. Trotzdem überstand er mit knapper Not die Vertrauensabstimmung, vom "Stimmenkauf" einzelner Abgeordneter ist in Rom die Rede. In der Tat muss Berlusconi alles tun, um im Amt zu bleiben, ihm drohen sonst überaus unangenehme Verfahren der Justiz.


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Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass die politische und wirtschaftliche Krise eines der großen EU-Länder international weniger ernst genommen wird als Zores im vergleichsweise unbedeutenden Irland.

In Italien nimmt den Staat niemand ernst, meinen Österreicher, die dort leben. Hierzulande sei es umgekehrt. In Italien sind daher politische Krisen halb so wild, weil es sich ohnehin jeder selber irgendwie richtet. Der Unterschied ist, dass Berlusconi nicht müde wird, von notwendigen Reformen zu sprechen, ohne sie umzusetzen. Er feiert wilde Parties, das ist verbürgt, aber seine politischen Erfolge beschränken sich vor allem darauf, dass er nach wie vor im Amt ist. Ob die jüngsten Budgetstreichungen bei den Universitäten der Weisheit letzter Schluss sind, sei auch dahingestellt. Die Studentenproteste sind jedenfalls nicht ohne.

Innerhalb Italiens mag das trotzdem immer wieder gut gehen, aber wie wird sich ein waidwunder Berlusconi auf internationaler Ebene aufführen? Noch wildere Parties feiern? Noch stärker in Lächerlichkeit versinken? Niemand in Europa mag sich vorstellen, dass die Finanzmärkte Italien attackieren. Das würde jeden Hilfsrahmen sprengen. Die Politik trägt nichts zur Beruhigung bei, der stabilisierende Faktor in Italien sind die Banken.

Berlusconi wird sich weiterhin an die Macht klammern, sein Kontrahent Fini hat diese Runde verloren. Die Finanzmärkte mögen vorerst erleichtert reagieren. Nicht, weil sie Berlusconi vertrauen, sondern weil Italien in dieser kritischen Phase Neuwahlen erspart geblieben sind. Eine dauerhafte Lösung ist das nicht. Die gibt es wohl nur, wenn Berlusconi eine Generalamnestie auf Lebenszeit erhält. Das ist zwar das Gegenteil eines Rechtsstaates, aber davon ist Italien ohnehin ein ziemliches Stück weg. Gut, dass nicht nur Italiener, sondern auch die Finanzmärkte diesen Staat nicht so ernst nehmen.