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Wenn Silvio Berlusconi nicht legasthenisch ist, hat er Donnerstagabend mit der Angelobung seiner 21 Minister bereits sein erstes Wahlversprechen gebrochen. Im Wahlkampf hatte er noch damit geworben, dass sein Kabinett nicht mehr als 12 Ressortchefs umfassen werde. Die Begehrlichkeiten seiner Koalitionspartner machten ihm nach dem Sieg bei den Parlamentswahlen am 13./14. April aber bald klar, dass dieses Versprechen kaum einzuhalten sein wird. (Romano Prodis Regierung umfasste 26 Minister, in Berlusconis Kabinett in den Jahren 2001 bis 2006 saßen 23 Minister.) | Berlusconi hat im Gegensatz zur bisherigen protokollarischen Gepflogenheit zur Betrauung mit der Regierungsbildung bei Präsident Giorgio Napolitano auch gleich die Ministerliste mitgebracht. Damit will er sich wohl den Anschein besonderer Durchschlagskraft geben. Angesichts der Wünsche seiner Partner, mit denen er sich in den rund drei Wochen seit der Wahl auseinanderzusetzen hatte, war aber Eile dringend geboten.
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Insgesamt zeigt Berlusconis neues Kabinett eine klare Bevorzugung Norditaliens. Neben dem Regierungschef kommen 10 der 21 Ressortchefs aus diesem Landesteil, neun davon aus den beiden Regionen Lombardei und Venetien. Zentral- und Süditalien stellen dagegen nur 11 Minister. Zurückgegangen ist auch der Frauenanteil. Saßen unter Prodi noch sechs Frauen mit am Kabinettstisch, so begnügt sich Berlusconi mit vier weiblichen Regierungsmitgliedern, die die Bereiche Unterricht, Umwelt, Jugend und Gleichbehandlung abdecken, außer dem Unterrichtsministerium eher zweitrangige Ressorts.
Jeweils vier Ministerposten entfallen auf die Lega Nord und auf die postfaschistische Alleanza Nazionale, die mit Berlusconis Ex-Partei Forza Italia gemeinsam als "Volk der Freiheit" (Popolo della Liberta, PdL) in die Wahlen gegangen ist.
Zahlreich sind freilich jene - bis auf Umweltministerin Stefania Prestigiacomo - durchwegs männlichen Minister, die schon einmal in einem Kabinett Berlusconis gesessen sind. Für die Lega Nord kehren Umberto Bossi als Reformenminister, Roberto Calderoli, dessen Namen das umstrittene Wahlgesetz trägt, als Vereinfachungsminister und Roberto Maroni als Innenminister in die Regierung zurück.
Das Außenministerium übernimmt erwartungsgemäß EU-Kommissar Franco Frattini, der dieses Ressort vor seiner EU-Karriere schon einmal geführt hat, Wirtschaftsminister wird wieder Giulio Tremonti, ein ebenso enger Berlusconi-Vertrauter wie der neue Industrieminister Claudio Scajola. Er war Organisator der erfolgreichen Berlusconi-Wahlkampagne 2001 und musste als Innenminister 2002 wegen einer respektlosen Erklärung über ein Terroropfer den Hut nehmen.
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