Romano Prodi wurde 2005 in Vorwahlen zum Kandidaten gekürt. | PD-Kandidaten bei Vorwahlen in Apulien und Mailand durchgefallen. | Rom. Italiens Opposition befindet sich nach den unerwartet hohen Siegen bei den Kommunalwahlen und bei den Volksabstimmungen vom vergangenen Wochenende deutlich im Aufwind. Mit 42,5 Prozent liegt das Mitte-Links-Lager nach den jüngsten Umfragen klar vor dem Regierungslager, dessen Anteil auf 39 Prozent abgesackt ist. | Ganz Italien wartet auf Bossis Rede | Seiltänzer zwischen Schuldenberg und Industrieschloten | Dritter Pol als Zünglein an der Waage
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 13 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Trotzdem ist noch keineswegs ausgemacht, dass der Chef der stärksten Oppositionspartei, Pier Luigi Bersani von der Demokratischen Partei (PD) nach Wahlen automatisch neuer Regierungschef wird.
Der Kandidat für das Amt des Ministerpräsidenten wird vermutlich wie schon im Jahr 2005, als Romano Prodi aus einer Vorwahl unter sieben Kandidaten mit 74,1 Prozent als klarer Sieger hervorging, gewählt. Geregelt ist die Kandidatenwahl aber keineswegs und Vorwahlen sind weder gesetzlich noch in den Parteistatuten vorgeschrieben. Und die PD hat bei Vorwahlen schon erleben müssen, dass ihre offiziellen Kandidaten mit Pauken und Trompeten durchgefallen sind.
So hat etwa 2009 bei den Vorwahlen für die Regionalwahlen in Apulien der von der Rifondazione Comunista kommende amtierende Regionalpräsident Nichi Vendola, ein bekennender Homosexueller und Katholik, gegen den von der PD unterstützen Bewerber Francesco Boccia eindeutig den Sieg davongetragen und im März 2010 auch die Wiederwahl mit deutlichem Vorsprung geschafft.
SEL - Die neue ökologische Linke
Vendola hatte in der Zwischenzeit seine alte Partei verlassen und 2009 die Liste "Sinistra e Liberta" gegründet, mit der er bei den Europawahlen antrat. Im Dezember 2009 gab sich diese Partei, die ehemalige Mitglieder der in der PD aufgegangenen Linksdemokraten, der Rifondazione Comunista, der Grünen und Sozialisten umfasst, den Namen "Sinistra Ecologia Liberta" (SEL - Linke, Ökologie, Freiheit).
Der von der SEL unterstützte Kandidat Giuliano Pisapia konnte sich am 14. November 2010 bei den Vorwahlen für die Bürgermeisterwahl in Mailand gegen den von der PD unterstützten Architekten Stefano Boeri durchsetzen. Nach seiner Wahl zum Bürgermeister berief Pisapia seinen Gegenkandidaten vor kurzem in das Amt des Kulturstadtrates.
Wenig Freude machten der PD auch die chaotischen Ereignisse rund um die Vorwahl eines Bürgermeisterkandidaten in Mailand. Als man in letzter Not schließlich den Präfekten der Stadt, Mario Morcone auf den Schild hob, der auch von der SEL unterstützt wurde, war es zu spät. Der Bürgermeisterkandidat der Partei "Italia dei Valori" (IdV - Italien der Werte), der Staatsanwalt Luigi de Magistris verdrängte den PD-Kandidaten aus der Stichwahl und konnte letzten Endes im zweiten Wahlgang mit Unterstützung der PD und der Wähler der Zentrumsparteien einen überwältigenden Erfolg gegen den Berlusconi-Kandidaten Gianni Lettieri erringen.
Vendola hat sehr zum Missfallen des PD-Parteichefs Pier Luigi Bersani bereits im September 2010 angekündigt, dass er im Falle von Vorwahlen gegen ihn antreten will, und Beobachter räumen ihm gute Chancen ein. Seine Partei liegt in den jüngsten Umfragen mit einem Anteil von 6,5 Prozent zwar an zweiter Stelle, aber deutlich hinter der PD, die 27,5 Prozent auf sich vereinigen kann.
Bersani selbst war in einer doppelten Abstimmung - in den Ortsvereinen der PD und in einer Urwahl im Oktober 2009 - mit 55,13 beziehungsweise 53,23 Prozent der Stimmen zum neuen Parteichef gewählt worden, nachdem sein Vorgänger Walter Veltroni im Februar 2009 das Handtuch geworfen hatte. Sein stärkster Gegenkandidat Dario Franceschini, der die Parte in der Zwischenzeit kommissarisch geführt hatte, war auf 36,95 Prozent gekommen.
Antonio Di Pietro - der Anti-Berlusconi
Wenn es wirklich zu Vorwahlen für die Spitzenkandidatur des Mitte-Links-Lagers bei den kommenden Parlamentswahlen kommt, könnte auch ein wohlbekanntes Gesicht neuerlich in den Ring steigen: Bereits 2005 hat der heutige IdV-Chef, der ehemalige Staatsanwalt Antonio Di Pietro bei den Vorwahlen mitgemacht. Allerdings wurde er hinter Romano Prodi, dem Kommunisten Fausto Bertinotti und dem Christdemokraten Clemente Mastella, der später Prodi stürzte, mit mageren 3,3 Prozent nur vierter von sieben Bewerbern.
Di Pietro, der 2008 in einer Listenverbindung mit der Demokratischen Partei in den Wahlkampf ging und als Politiker den Kampf gegen Korruption fortsetzt, den er als Richter und Staatsanwalt begonnen hatte, stand als treibende Kraft auch hinter den Volksabstimmungen gegen Atomkraft, Wasserprivatisierung und Berlusconis Immunitätsgesetz.
"Als wir im Vorjahr begannen, die Unterschriften für die Einleitung der Referenden zu sammeln, wurden wir belächelt. Man sagte uns, es sei vergeudete Zeit und in unseren eigenen Reihen wurden wir als verrückt bezeichnet und man klagte uns an, Berlusconi einen Gefallen zu tun", sagte Di Pietro nach dem Erfolg bei den Volksabstimmungen. Er rief aber zugleich zu Demut vor dem Willen der Wähler auf.
Im Gegensatz zu Bersani und Vendola, die nach dem überwältigenden Erfolg bei den Referenden den sofortigen Rücktritt der Regierung Berlusconi und Neuwahlen forderten, bremste Di Pietro und wies darauf hin, dass auch zahlreiche Wähler des Regierungslagers an der Volksabstimmung teilgenommen hatten.
Laut Wahlforschern beteiligte sich jeder zweite Wähler der Lega Nord und jeder fünfte von Berlusconis PDL am vergangenen Wochenende an zumindest einem der insgesamt vier Referenden.
"Denen die heute den Rücktritt Berlusconis fordern, möchte ich sagen: Willkommen im Klub. Ich habe das vom ersten Tag an gefordert, auch als Berlusconi versucht hat, mich zu kaufen und mir einen Ministerposten anzubieten", stellte Di Pietro eindeutig seine Position klar. "Ich fordere Berlusconis Rücktritt seit 15 Jahren und nicht erst im Zusammenhang mit dem Referendumsresultaten."
Ein Misstrauensvotum hält Di Pietro derzeit für kontraproduktiv, da die Opposition über keine Mehrheit im Parlament verfügt.
"Regierung vom Land geschieden"
Bersani hatte nach dem Vorliegen der Referendumsergebnisse von einer "Scheidung zwischen der Regierung und dem Land" gesprochen und betont, dass er die Rücktrittsaufforderung nicht erst nach den Regierungschlappen bei den Kommunalwahlen und bei der Volksabstimmung gestellt habe, sondern schon seit einem Jahr diese Forderung erhebe. Bersani sieht keine Möglichkeiten mehr, mit der PdL zu einer Einigung über ein neues Wahlrecht zu kommen.
Der PD-Chef hatte sich nach den Erfolgen bei den Kommunalwahlen in Mailand und Neapel voll in die Referendumskampagne eingeschaltet - trotz mancher Warnungen, dass ein Scheitern wegen zu geringer Beteiligung die Erfolge der Linken bei den Kommunalwahlen zunichte machen könnte.