Zum Hauptinhalt springen

Italiens Parlament diskutiert Strafnachlass

Von WZ Online

Europaarchiv

Nicht für Schwerverbrecher | Rom. (APA) In der römischen Abgeordnetenkammer hat die Debatte über einen Strafnachlass zur Entlastung der italienischen Gefängnisse begonnen. Diskutiert wird über ein Projekt, das einen Strafnachlass für Häftlinge vorsieht, die mindestens zwei Drittel ihrer Strafe abgebüßt haben. Von der Maßnahme dürfen keine Sträflinge profitieren, die wegen Terrorismus, Mafia, Pädophilie, sexueller Gewalt, Entführungen, Schieberei, Geldwäsche und Drogenhandel verurteilt worden sind.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 18 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Häftlinge, die vom Strafnachlass profitieren, werden wieder inhaftiert, wenn sie innerhalb von fünf Jahren ein weiteres Verbrechen begehen. Der Strafnachlass wird für Verbrechen gewährt, die bis zum 2. Mai 2006 begangen worden sind.

Für den Strafnachlass, über den in Italien bereits seit Jahren diskutiert wird, sprachen sich die meisten Parteien der Regierungskoalition und der Opposition aus. Gegen die Maßnahme stemmen sich die Lega Nord, die rechte Alleanza Nationale und die Regierungspartei "Italien der Werte" um Infrastrukturminister Antonio Di Pietro. Laut dem Minister und Ex-Mailänder Staatsanwalt sollte der Strafnachlass bei Korruption und Vergehen gegen die öffentliche Verwaltung nicht gewährt werden. Di Pietro hatte vergangene Woche sogar mit seiner Demission gedroht, sollte das Gesetzesprojekt zum Straferlass nicht nach seinen Vorschlägen geändert werden.

Justizminister Clemente Mastella unterstützt den Gesetzesentwurf und äußerte die Hoffnung, dass ihn das Parlament bald billigen wird. "Der Strafnachlass zählt zu den Prioritäten der Regierung Prodi. Er ist für eine Entlastung der übervölkerten Strafanstalten notwendig", meinte Mastella. Diese Ansicht teilt auch Staatspräsident Giorgio Napolitano. "Ich verfolge die Lage in den italienischen Strafanstalten mit großer Aufmerksamkeit. Ich glaube, dass Maßnahmen notwendig sind, die das Problem bei der Wurzel packen", sagte Napolitano.

Die Zahl der Häftlinge ist in Italien auf ein Rekordhoch geklettert. Rund 60.000 Menschen befInden sich in den 205 Strafanstalten des Landes. Die Gefängnisse des Landes sind für maximal 20.000 Insassen geplant. Stark zugenommen hat auch die Zahl der straffällig gewordenen Ausländer. Sie machen mittlerweile ein Drittel der Häftlinge aus.

Gegen den geplanten Strafnachlass sprach sich Ex-Justizminister Roberto Castelli, Spitzenpolitiker der Lega Nord, aus. "Für die Entlastung der Gefängnisse ist ein Strafnachlass nicht die geeignete Lösung", meinte Castelli. Die Überbelegung der Strafanstalten sei mehrheitlich darauf zurückzuführen, dass die Gefangenen wegen des Schneckentempos der italienischen Justiz oft Jahre lang in Untersuchungshaft auf den Prozess warten müssten. "Ein Strafnachlass ist eine Niederlage für den Staat, eine Kapitulation des Rechtsstaates", betonte Castelli.