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Genua - Die italienischen Sicherheitsbehörden kommen wegen der Vorfälle rund um den G-8-Gipfel von Genua immer schwerer unter Druck. Vor allem die Tatsache, dass Diplomaten erst nach Tagen Kontakt zu ausländischen Festgenommenen ermöglicht wurde, hat zu heftigen Irritationen in Berlin und London geführt. In einem Donnerstag in der italienischen Zeitung "la Repubblica" erschienenem Interview erhebt ein Polizist schwere Vorwürfe gegen die Sicherheitsbehörden.
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Der Polizist, dessen Namen nicht genannt wird, bestätigte, dass die Berichte über Misshandlungen der Festgenommenen in der in ein Gefängnis umgewandelten Polizeikaserne Bolzaneto der Wahrheit entsprechen. Einheiten der Justizpolizei hätten schon eine Woche vor Beginn des Gipfels in einem Teil der Kaserne ein Gefängnis eingerichtet. Die Festgenommenen Demonstranten seien aus den Polizeiautos geprügelt worden, mussten sich stundenlang an den Wänden aufstellen und seien mit den Köpfen gegen die Mauern geschlagen worden. Mädchen sei angedroht worden, sie mit Schlagstöcken zu vergewaltigen, einige Festgenommene seien anuriniert worden. Einige Polizisten hätten faschistische Lieder und Hymnen auf Pinochet gesungen.
Was in der Kaserne und in der Schule, wo das Pressequartier der Globalisierungsgegner in der Nacht zum Sonntag einer Razzia unterzogen wurde, vorgefallen sei, sei eine Suspendierung der Grundrechte gewesen, sagte der Polizist. Er habe mit Kollegen darüber gesprochen, aber die hätten ihm geantwortet, dass man keine Angst haben müsse, man werde ja gedeckt.
Die Aussagen des Polizisten werden auch durch drei Zeugen gedeckt, die "la Repubblica" Donnerstag zitierte. Ein römischer Pressefotograf, der selbst schwer misshandelt worden war und dem man sein Filmmaterial abnahm, berichtete, dass man Frauen an den Haaren weggeschleift habe und einem Franzosen brennende Zigaretten auf den Händen ausgedrückt wurden.
Die deutschen Grünen verlangten eine internationale Untersuchung der Vorwürfe. In Großbritannien drängten liberaldemokratische Abgeordnete die Regierung Blair zu scharfen Protesten und amnesty international richtete einen dringenden Appell an die italienische Regierung, die Menschenrechte der festgenommenen Demonstranten zu achten. Die internationale Journalistenvereinigung prangerte die Brutalität der Sicherheitskräfte an.
Aus einem Geheimdossier der Polizei geht hervor, dass bewaffnete Rechtsextremisten in die Reihen der Globalisierungsgegner eingeschleust worden seien, um diese zu diskreditieren. Das italienische Parlament hat Donnerstag einen Untersuchungsausschuss für die Vorfälle von Genua abgelehnt. 60 verhaftete Globalisierungsgegner wurden mittlerweile wieder freigelassen.
Österreichischer Botschafter bei Inhaftierten
Der österreichische Botschafter in Italien, Alfred Kloss, besuchte Donnerstag in der Strafanstalt in Alessandria zehn der insgesamt 17 Aktivisten der "VolxTheaterKarawane". Sieben Frauen, die der Theatergruppe angehören wurden am späten Mittwoch Abend vom österreichischen Konsul in Mailand, Manfred Moritsch, besucht. Der Konsul sagte, dass die Frauen wohlauf seien und nicht geschlagen worden seien. "Sie sind geschockt, vor allem darüber, wie die Festnahme stattgefunden hat. Sie seien von der Polizei mit Waffen bedroht worden. Den Männern seien die Köpfe gegen die Wand geschlagen worden".