Italiens Regierungschef Silvio Berlusconi und Oppositionsführer Romano Prodi haben zwei gemeinsame Ziele: Jeder von ihnen will die spätestens im kommenden Frühjahr anstehenden Parlamentswahlen gewinnen und jeder weiß, dass ihm das nur gelingen wird, wenn die untereinander zerstrittenen Koalitionspartner an einem gemeinsamen Strang ziehen. Der Weg dahin ist aber noch mit vielen spitzen Steinen gepflastert.
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Prodi hat in seinem Bestreben, eine gemeinsame Liste für die kommenden Wahlen zustande zu bringen am Freitag einen herben Rückschlag erlitten. Die Bundesversammlung der christdemokratisch orientierten Margherita-Bewegung hat mit 224 gegen 58 Stimmen bei 16 Enthaltungen eine gemeinsame Oppositionsliste für die kommenden Wahlen abgelehnt und will im Kampf um die nach dem Proportionalsystem zu vergebenden Sitze - ein Viertel der Mandate - mit einer eigenen Liste antreten. Francesco Rutelli, der bei den vom Ulivo-Bündnis verlorenen Wahlen des Jahres 2001 Spitzenkandidat war, hat dem für die kommenden Wahlen vorgesehenen Listenführer Romano Prodi damit einen Bärendienst erwiesen.
Prodi, der sich derzeit zu einem Besuch in China aufhält, bezeichnete den Margherita-Beschluss postwendend als "Selbstmord". Zuvor hatte er bereits festgestellt, er wolle nach einem Wahlsieg der Mitte-Links-Opposition nicht Chef einer Regierung sein, die von Problemen des inneren Gleichgewichts gelähmt ist.
Prodi weiß, wovon er spricht, denn nach dem Wahlsieg seiner Ulivo-Koalition im Frühjahr 1996 hatte er sich schon einmal mit den inneren Schwierigkeiten eines heterogenen Kabinetts konfrontiert gesehen, was schließlich im Oktober 1998 zu seinem Rücktritt geführt hatte.
Rutelli wiederum befürchtet, dass seine Margherita-Bewegung, die bei den Wahlen im Frühjahr 2001 mit 14,5 Prozent nur knapp hinter den Linksdemokraten gelegen ist (16,6 Prozent) und seither bei allen Wahlen Stimmen eingebüßt hat, durch eine Einheitsliste, in der die Linksdemokraten die stärkste Kraft stellen, noch stärker in Bedrängnis gerät. Der Parteichef der Linksdemokraten, Piero Fassino, 2001 als Vize von Rutelli vorgesehen, verurteilte das Vorgehen der Margherita-Bewegung als Unterminierung der Führerschaft Prodis.
Aber auch Regierungschef Silvio Berlusconi hat sich mit ähnlichen Problemen herumzuschlagen wie Prodi. Sein Projekt einer Sammelpartei findet auch nicht ungeteilte Zustimmung unter den Koalitionspartnern, die das derzeitige Kabinett stellen. Nach den verlorenen Regionalwahlen von Anfang April, die eine veritable Regierungskrise zur Folge hatten - mit anschließender Demission Berlusconis und einer größeren Umbildung seiner Regierung - weiß auch er, dass er die kommenden Wahlen nur mit einer geschlossenen Partei gewinnen kann. Er möchte dafür seine erst 1994 gegründete Partei Forza Italia auflösen und die Kräfte seiner Koalition in einer "Allianz für die Freiheit" bündeln. Während die postfaschistische Alleanza Nazionale unter der Führung von Vizepremier Gianfranco Fini und die christdemokratische UDC unter Parteichef Marco Follini, der die letzte Regierungskrise ausgelöst hatte, prinzipiell zu Diskussionen über Berlusconis Pläne bereit sind, kam von der Lega Nord bisher ein klares Nein. Reformenminister Roberto Calderoli bezeichnete die Pläne des Premiers als unannehmbar. Die Lega Nord wolle ihre Identität bewahren. Da hilft auch nichts, dass Berlusconi in den Raum gestellt hat, er müsse bei den kommenden Wahlen nicht mehr als Regierungschef antreten und er wäre der glücklichste Mensch der Welt, wenn seine Koalition zwei Monate vor den Wahlen einen anderen Kandidaten finden würde. Offensichtlich sind Berlusconi die ständigen Streitereien in seinem Parteinbündnis schon sehr lästig geworden. Erst unlängst, als sein Hausarzt die Wiederwahl zum Bürgermeister von Catania schaffte, war die Freude nicht ungetrübt. Die Christdemokraten schrieben sich den Erfolg voll auf ihre Fahnen. Berlusconis Forza Italia hatte einen Rückgang von 26,9 auf 16,2 Prozent zu verzeichnen.