Premier Renzi regiert seit einem Jahr mit vielen angekündigten Reformen.
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Rom. Ein Jahr ist Italiens Premierminister Matteo Renzi am Sonntag schon im Amt. Doch Jubiläen zur politischen Bilanzziehung kümmern den 40-Jährigen wenig. Nicht, dass er sie nicht selbst vollmundig ankündigen würde. Nur will es mit den ehrgeizigen Plänen nicht so recht klappen: Schule, Pension, Verfassung - die Liste der geplanten Reformen Renzis ist lang. Frisch im Amt, nachdem er seinen Parteikollegen Enrico Letta quasi aus dem Premierssessel geputscht hatte, versprach er, eine Reform pro Monat durchzusetzen. Daraus wurde nichts, also hob er an zu einem "Programm der hundert Kampftage". Doch auch die verstrichen und Renzi erhöhte abermals: Derzeit befindet sich Italien im "Programm der tausend Tage, um Italien zu verändern".
Der Stichtag für dieses - aktuelle - Programm wurde freilich nicht auf Renzis Arbeitsbeginn gesetzt, sondern ebenfalls verschoben; auf den 1. September 2014. Und so ist die Deadline der 1000 Tage der 28. Mai 2017. - So nicht in dieser Zeit ein neues Programm ins Leben gerufen wird und immer vorausgesetzt, dass Renzi so lange Premierminister bleibt. Denn lediglich 25 Prozent der Italiener glauben, dass Renzi es über die ganze Legislaturperiode bis 2018 schaffen wird.
Großer Erfolg: Arbeitsmarkt
Dessen unbenommen kommen die Versprechen des ehemaligen Bürgermeisters von Florenz in der Bevölkerung gut an. Laut einer Umfrage sind 68 Prozent der Italiener der Meinung, dass Renzi große Entschlossenheit in seinem Jahr im Amt bewiesen habe. 45 Prozent loben die Dynamik des Premiers. Immerhin hat Renzi, wenn er eine Reform durchbringt, Erfolg.
Dazu gehört die Arbeitsmarktreform, die der herausragende Rhetoriker peppig "Jobs Act" nennt. Die hat er gegen den härtesten Widerstand der Gewerkschaften und Proteste mit Verletzten durchgezogen. Die Reform soll es Unternehmen erleichtern, durch eine Lockerung des Kündigungsschutzes mehr Menschen einzustellen. Die letzte Hürde war der Senat, der im Dezember grünes Licht gab. Sie ist somit die erste und einzige Reform, die in Kraft getreten ist.
Während Ökonomen überzeugt sind, dass solche Strukturreformen mindestens zwei Jahre brauchen, bis sie Wirkung zeigen, muss jeder, der sich die Statistik ansieht, glauben, dass es sich um ein Instant-Projekt handelt. Die Arbeitslosigkeit war stetig angestiegen, bis sie im November den Rekordwert von 13,4 Prozent erreichte. Das europäische Statistikamt berichtete sogar, dass 3,6 Millionen arbeitslose Italiener so demotiviert waren, dass sie darauf verzichtet haben, einen Job zu suchen. Das wären 14,2 Prozent aller Arbeitskräfte und dreimal so viele wie im EU-Durchschnitt. Doch schon im Dezember fiel die Arbeitslosigkeit laut italienischem Statistikamt auf 12,9 Prozent. Das sind zwar um 0,4 Prozentpunkte mehr als im Dezember 2013, aber immerhin.
Einen anderen großen Erfolg konnte Renzi bei der Präsidentenwahl verbuchen. Sein Kandidat, Sergio Mattarella, wurde mit überwältigender Mehrheit gewählt. Allerdings vergrätzte er damit seinen ungewöhnlichen Partner in Sachen Reformen: Ex-Ministerpräsident Silvio Berlusconi und seine konservative Partei Forza Italia, die er trotz deren bisheriger Unterstützung übergangen hatte. Besonders schmerzhaft für Berlusconi war dabei, dass er nach seiner Verurteilung wegen Steuerbetrugs auf eine Begnadigung durch den Staatspräsidenten hoffen muss. Nur so könnte der derzeit von politischen Ämtern ausgeschlossene Medienzar ein politisches Comeback feiern - unwahrscheinlich bei Matarella.
Und so wird es für Renzi knapp, im Parlament seine Mehrheit für das neue Wahlgesetz zu halten - ein Wahlrechtsmodell mit doppeltem Wahlgang, auf das er sich vor einem Jahr mit Berlusconi geeinigt hatte. Auch die Reform des Senats, der bisher der Abgeordnetenkammer gleichgestellt ist, und künftig in etwa auf das Niveau des österreichischen Bundesrats degradiert werden soll, wird ein Stück schwieriger. Hinzu kommt die Drohung der 5-Sterne-Bewegung, ihre Abgeordneten komplett aus beiden Kammern abzuziehen. Damit liegen Neuwahlen in der Luft. Die müsste Renzi grundsätzlich nicht fürchten. Immerhin ist seine Demokratische Partei derzeit selbst der geeinten Rechten noch überlegen. Doch innerparteilich beginnt die Partei zu bröckeln. Vor allem den linken Flügel, der weder die Nähe Renzis zu Berlusconi, noch die Arbeitsmarktreform goutiert hat, wird der Premier im Auge behalten müssen, wenn er sein Amt verteidigen will.