)
Die Euroländer befinden sich in einem Lernprozess, den die Topmanager internationaler Unternehmen schon lange hinter sich haben.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 13 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Kaum scheint ein Krisenherd in der Eurozone gelöscht, bricht ein neuer auf, wie der Wertverlust spanischer und italienischer Staatsanleihen und der damit verbundene Anstieg der Finanzierungskosten dieser Länder. Überlagert wird das Ganze durch eine aus den USA kommende Störungsfront in Form mangelnden Vertrauens in ihre Wirtschaft und ihre politische Handlungsfähigkeit.
Ja, es sind die internationalen Finanzmärkte, die die Krisendynamik durch bewusste oder automatisch ausgelöste Kauf- und Verkaufsentscheidungen diktieren. Aber gäbe es keine Überschuldung, hätten die Finanzmärkte keinen Angriffspunkt. Die Euroländer befinden sich in einem Lernprozess, den die Topmanager internationaler Unternehmen schon lange hinter sich haben. Diese müssen immer wieder den Analysten ihrer institutionellen Aktionäre Frage und Antwort stehen und sie von ihrem Geschäftsplan und der Unternehmensstrategie überzeugen. Dazu bedarf es der Vermittlung von Vertrauen und Leadership.
Beides fehlt beim Krisenmanagement im Euroraum, institutionell und personell bedingt. Es gibt keinen europäischen CEO (Chief Executive Officer), der die Strategie der Eurozone autoritativ bestimmen kann, und es gibt keine überzeugenden Führungspersönlichkeiten. Dazu kommt noch, dass - aus guten Gründen - der zweite in der Verschuldungskrise entscheidende Player, nämlich die EZB (Europäische Zentralbank), unabhängig von der Politik gestellt ist.
Wie kann es weitergehen, ohne die europäische Integration infrage zu stellen"? In erster Linie muss die Eurozone die Erbsünde einer Währungsunion ohne politische Union abstreifen. Das bedeutet Verzicht auf nationale Budgetautonomie zugunsten regelgebundener Vorgangsweisen (zum Beispiel verfassungsmäßig abgesicherte Schuldenbremsen und zentral vorgegebene Reformen der Sozialsysteme) mit automatisch eintretenden Sanktionen bei Zielverfehlung.
Zweitens müssen die Kosten für die Refinanzierung des aktuellen Schuldenbestands der Problemländer niedrig gehalten werden - und das wird nur durch weitere Haftungsübernahmen aller Euroländer für Staatsanleihen der Problemländer beziehungsweise die Ausgabe von gemeinsamen Eurobonds möglich sein.
Drittens müssen die Märkte von der Bereitschaft der EZB überzeugt sein, im Falle des Falles wieder unkonventionell Krisenfeuerwehr zu spielen. Das wird sie nur dann tun, wenn die politischen Voraussetzung gegeben sind. Damit übt die EZB faktischen Druck in Richtung auf eine politische Union aus.
Und last but not least bedarf es neben der EU-Wachstumsstrategie 2020 noch einer speziellen Strategie zur Erhöhung des Wachstumspotenzials der hoch verschuldeten Eurostaaten.
Erhard Fürst war viele Jahre Leiter der Abteilung Industriepolitik und Wirtschaft in der Industriellenvereinigung.