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Das Kalenderblatt mit der nackten Frau darauf hat eine lange Tradition. Zuletzt hat ja einer der berühmtesten Nackte-Frauen-Kalender eine erstaunliche Wende vollzogen. Im Pirelli-Kalender für 2016 sieht man diesmal keine textilfreien, vorteilhaft-lüstern posierenden Topmodels. Fotografin Annie Leibowitz hat Künstlerinnen wie Patti Smith, Amy Schumer, Yoko Ono oder Sportlerinnen wie Serena Williams oder Bloggerin Tavi Gevinson in feministischer Mission abgebildet. Nackt ist keine, halbnackt die wenigsten. Topmodelfigur hat keine, Lippen sind auch nur ungeschürzt zu sehen.
Das klingt fürs Erste eigentlich begrüßenswert. Wenn es nicht diesen seltsamen Beigeschmack hätte, den man vielleicht seit dem letzten Bondfilm den "Monica-Bellucci-Effekt" nennen kann. Da wurde monatelang im Vorfeld gefeiert, dass es erstmals eine "Bondwoman" geben würde. Von einer über 50-jährigen Schauspielerin dargestellt. Dass es so etwas überhaupt gibt!
Im Film hatte Bellucci dann einen Auftritt von gefühlten 90 Sekunden, während das Bondgirl Lea Seydoux flächendeckend eingesetzt wurde. Man muss gar keine Feministin sein, um sich über so etwas zu ärgern. Das Vorspiegeln vom Ernstnehmen gewisser Anliegen als PR-Gag ist eine Kunst der Illusion, die immer häufiger eingesetzt wird. Ziemlich sicher wird auch der Pirelli-Kalender nächstes Jahr wieder in der bekannten Form erscheinen. Das zwingt zu einer bitteren Diagnose: Es scheint zwar zeitgeistig zu sein, Frauen auch ein bisschen ernstzunehmen. Aber wirklich durchziehen -das will man dann doch nicht.