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Ja zu Gentests an Embryonen

Von Georg Friesenbichler

Europaarchiv

Streitfront ging quer durch Parteien. | International unterschiedlich.


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Berlin. Das Wort ist monströs: Präimplantationsdiagnostik, abgekürzt PID. Und deren Gegner fürchten auch monströse Auswirkungen, wenn zugelassen wird, dass im Reagenzglas erzeugte Embryonen vor der Einpflanzung in den Mutterleib auf Gendefekte untersucht werden, um gegebenenfalls aussortiert zu werden. Damit stünde der Weg zu "Designerbabys" offen, deren Geschlecht oder Augenfarbe im Vorhinein bestimmt werden könnten, glauben die Kritiker. Sie meinen auch, eine behindertenfeindliche Haltung in der PID erkennen zu können.

Auf der anderen Seite steht der elterliche Wunsch nach einem gesunden Kind. Für die Befürworter von PID stellt sich vor allem die Frage, warum ein künstlich gezeugter Embryo im Reagenzglas nicht untersucht werden darf, während dies im Mutterleib bei der vorgeburtlichen Diagnostik erlaubt ist. Wird dabei eine schwere genetische Störung festgestellt, könnten sich die Frauen für eine legale Abtreibung entscheiden.

Mit den beiden divergierenden Positionen mussten sich am Donnerstag die Parteien im deutschen Bundestag befassen. Und weil die Meinungen zu dieser ethischen Frage quer durch alle Fraktionen geteilt waren, wurde bei der Abstimmung der Fraktionszwang aufgehoben. Die Abstimmung endete mit einem Ja zur PID unter bestimmten Auflagen: Mit 326 gegen 260 Stimmen wurde für einen - gleichfalls parteiübergreifenden - Antrag gestimmt, der die Methode erlaubt, wenn aufgrund der genetischen Veranlagung der Eltern eine hohe Wahrscheinlichkeit für eine schwere Erbkrankheit beim Kind oder für eine Tot- oder Fehlgeburt besteht. Voraussetzung für den Embryonentest ist die vorherige Zustimmung einer Ethikkommission in jedem Einzelfall sowie eine Beratung der Betroffenen. Zudem soll die PID nur in dafür zugelassenen Zentren erfolgen.

Zwei andere Anträge hatten ein prinzipielles Verbot der PID vorgesehen. Einer davon beinhaltete eine Ausnahmeregelung für den Fall, dass eine Fehl- oder Totgeburt sehr wahrscheinlich sei. Die Neuregelung zur PID wurde nötig, weil es bisher keine klare gesetzliche Vorgabe gab und der Bundesgerichtshof 2010 die Auswahl künstlich befruchteter Eizellen bei Paaren mit einer Veranlagung zu schweren Genschäden erlaubt hatte.

In Österreich verboten

In Österreich wird eine ähnliche Regelung auch von der SPÖ angestrebt, was ebenfalls bei den Oppositionsparteien auf Gegenliebe stößt. Die ÖVP hat hingegen ihre Position zur PID, die bisher in Österreich verboten ist, noch nicht gefunden. Jedenfalls wurde am Donnerstag mit innerkoalitionären Gesprächen zum Thema begonnen.

In anderen Ländern ist die Präimplantationsdiagnostik höchst unterschiedlich geregelt. Frankreich und Schweden haben recht strenge Regelungen. Dänemark und Norwegen erlauben die Zeugung von Geschwistern, die einem bereits geborenen todkranken Kind als Spender dienen können. In Großbritannien, wo PID seit 1990 erlaubt ist, wird die Anwendung zwar kontrolliert, aber recht weit ausgelegt. So wurde 2009 ein genetisch ausgewähltes Baby geboren, bei dem das Brustkrebsgen ausgeschlossen worden war.

Belgien ist ebenfalls recht großzügig, die rein geschlechtsspezifische Auswahl von Embryonen ist jedoch verboten. Dies ist wiederum in den USA durchaus üblich, wo auch sonst zu nichtmedizinischen Zwecken selektiert wird. Eine landesweite Regelung gibt es dort nicht.