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Ja zur Sonnenenergie - Nein zum Sonnenkönig

Von Heiner Boberski

Politik

5. November 1978: Mit einer hauchdünnen Mehrheit von 50,5 Prozent erteilt Österreichs Bevölkerung der Inbetriebnahme des Kernkraftwerks Zwentendorf eine Absage. Das nun 25 Jahre zurückliegende Ereignis bedeutete eine Wende, nicht nur in der Energiepolitik.


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Als einziger Staat der Welt hat Österreich ein komplett fertig gestelltes Kernkraftwerk nicht in Betrieb genommen. 1972 hatte die deutsche "Kraftwerksunion" mit dem Bau des Reaktors in Zwentendorf bei Tulln begonnen. Atomkraft galt als "umweltfreundlich und wirtschaftlich", Atomstrom als "billig und sauber". Der Zwentendorfer Siedewasserreaktor hätte mit 700 Megawatt Leistung zehn Prozent des in Österreich produzierten Stroms liefern sollen, insgesamt standen bereits drei Kernkraftwerke in Planung.

Atomkraftwerksgegner

Mit dem Argument, diese Art der Energiegewinnung sei unsicher und gefährlich, formierte sich in den siebziger Jahren ein Zusammenschluss von Bürgerbewegungen als "Initiative österreichischer Atomkraftwerksgegner". Bundeskanzler Bruno Kreisky, mit absoluter SPÖ-Mehrheit regierend und wegen seiner Machtfülle gerne als "Sonnenkönig" bezeichnet, befürwortete zwar die Inbetriebnahme von Zwentendorf, setzte aber überraschend das in der Zweiten Republik noch nie (und später auch nur vor dem EU-Beitritt) angewandte Instrument der Volksabstimmung ein.

Vor diesem Plebiszit im November 1978 tobte ein heftiger Propagandakrieg der Befürworter und Gegner. Die Pro-Zwentendorf-Lobby hatte neben der SPÖ auch die Industrie, einen großen Teil der Wirtschaft, den ÖGB, etliche Oppositionspolitiker und viele Techniker auf ihrer Seite. Sie verfügte über erhebliche Werbemittel und verkündete "Ohne Zwentendorf gehen die Lichter aus". Die vor allem der jüngeren Generation angehörenden Zwentendorf-Gegner, unter ihnen pikanterweise der Sohn des Kanzlers, Peter Kreisky, hatten meist eine kleine Sonne mit dem Aufdruck "Zwentendorf - nein danke!" angesteckt. Zu dieser heterogenen Bewegung zählten vor allem kritische Wissenschafter - etwa der Geologe Alexander Tollmann oder der Biologe Bernd Lötsch - und Studentenorganisationen sowie Kritiker der Konsumgesellschaft, insbesondere aus dem kirchlichen Raum.

Zeichnete sich nach den ersten Umfragen eine klare Mehrheit für Zwentendorf ab, so änderte sich das Bild, als Kanzler Kreisky das ganze Gewicht seiner Person in die Waagschale warf: Im Falle einer Ablehnung des Kraftwerks schließe er seinen Rücktritt nicht aus. In dieser entscheidenden Phase der Auseinandersetzung riefen nun die Oppositionsparteien ÖVP und FPÖ zu einem Nein zu Zwentendorf auf. Am 5. November 1978 schritten 64 Prozent der Wahlberechtigten (3,26 Millionen) zu den Urnen und entschieden mit 30.068 Stimmen Überhang gegen die "friedliche Nutzung der Kernenergie" in Österreich. Das Dilemma im Falle eines ähnlich knappen Ergebnisses pro Zwentendorf blieb den darob großteils heilfrohen Politikern erspart. Noch im Dezember des gleichen Jahres verabschiedete der Nationalrat das "Atomsperrgesetz", das Stromerzeugung durch Kernspaltung verbietet.

Kreisky profitierte letztlich

Politisch bedeutete die Abstimmung eine erste große Niederlage für die mächtigen Sozialpartner. Regierungschef Bruno Kreisky profitierte aber letztlich, weil er nun ohne das Thema Kernenergie in die Nationalratswahlen 1979 gehen und dort wieder eine absolute SP-SP-Mehrheit einfahren konnte. Die im Aufbau befindlichen Grünen und Alternativen hatten ein kräftiges Lebenszeichen gegeben, aber ein Hauptthema verloren; sie brauchten noch einige Jahre - und den Konflikt um die Hainburger Au -, bis sie stark genug für einen Einzug ins Parlament waren.