Zum Hauptinhalt springen

Jacques Chirac zeigt der Linken in Frankreich die kalte Schulter

Von Hanns-Jochen Kaffsack

Politik

Paris - Frankreichs Linke wählt ihn zähneknirschend, um das Land nicht den Rechtsextremen zu überlassen. Jacques Chirac jedoch zeigt Sozialisten, Kommunisten und Grünen ungerührt die kalte Schulter. Der Neogaullist, der seit dem ersten Wahlgang sicher ist, auch nach der Stichwahl im Élysée-Palast bleiben zu können, hat bereits fest die Parlamentswahlen im Juni im Auge. Und damit gilt für den gewieften Taktiker nur eines - die Tatsache, dass jetzt alle für ihn stimmen wollen, weil Jean-Marie Le Pen nicht ans Ruder kommen soll, darf die Fronten nicht verwischen.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 22 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

"Wenn die Rechte und die Linke sich jetzt in ein und derselben Bewegung gegen Le Pen vermengen, dann wird es in einem Monat schwierig sein, die normalen Konfrontationsbedingungen wieder herzustellen", erläuterte Chirac seinen Beratern. "Und es ist genau dieser Eindruck eines heimlichen Einverständnisses der Linken und der Rechten, was Le Pen Zulauf bringt." Also machten die neogaullistischen Jugendgruppen auch nicht bei den Demos gegen Le Pen mit. Der sozialistische Sprecher Vincent Peillon konnte somit nur darüber klagen, dass die Linke die Hauptarbeit gegen Le Pen leistet. Sie unterstützt Chirac - der sie weiterhin als Gegner sieht.

Links wie rechts überwiegt die Einschätzung, dass die ungeliebte "Kohabitation" seit 1997 nicht nur politisch gelähmt, sondern damit auch die Unzufriedenheit unter den Franzosen "mit denen in Paris" erhöht hat. Ein bis 2007 wiedergewählter Chirac will also nicht mit einer linken Regierung zusammenarbeiten müssen. Er muss aber auch befürchten, es womöglich mit einer wackeligen rechten Mehrheit zu tun zu haben, mit der extremen Rechten als Zünglein an der Waage. Und das kann ihm auch deshalb nicht passen, weil er immer gegen Bündnisse mit Le Pen war. Also hat Chirac bereits vor der Stichwahl gegen Le Pen den Kampf ums Parlament begonnen. Damit ist gerade auch das eigene rechte Lager gemeint, das in den vergangenen Jahren nach außen hin oft genug ein Bild der Zerstrittenheit geboten hat. Zentristen, Liberalkonservative und die Neogaullisten suchen so nach einer Plattform, die es ihnen ersparen könnte, bei den Parlamentswahlen in allzu vielen Wahlkreisen von den Rechtsextremen überrundet zu werden. Mit einer "Vereinigung für die Mehrheit des Präsidenten" (UMP), flugs aus der Taufe gehoben, will Chirac die aufgesplitteten Konservativen endlich zusammenführen. Ein Vorstoß, den erwartungsgemäß beileibe noch nicht alle gutheißen.