Burdschanadse kritisiert Einschüchterungskampagne. | Saakaschwilis Rücktritt gefordert. | Moskau. Georgiens Präsident Michail Saakaschwili gibt sich gerne als demokratischer Musterschüler und Vorkämpfer westlicher Werte im Kaukasus. Und lange Zeit wurde er in Europa und den USA auch als solcher wahrgenommen.
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Nicht zum ersten Mal entpuppt sich der politische Heißsporn nun jedoch als eiskalter Machtmensch: Im Vorfeld der für den 9. April angekündigten Oppositionsproteste verhaftete die Polizei am Montag neun führende Mitglieder der regimekritischen Partei "Demokratische Bewegung für ein Vereintes Georgien".
Moskau muss alsVorwand herhalten
Gegen die Inhaftierten wurden Strafverfahren wegen "illegalen Waffenbesitzes" eröffnet. Man habe eine "groß angelegte Provokation" verhindert, die "dem Feind in die Hände gespielt hätte", teilte das Innenministerium in Tiflis mit. Mit "dem Feind" ist Russland gemeint, das seit dem Krieg im August die beiden abtrünnigen georgischen Provinzen Abchasien und Südossetien besetzt hält.
Nino Burdschanadse, die Anführerin der Oppositionspartei, verurteilte das Vorgehen der Behörden scharf: "Es ist ein Versuch, die Gesellschaft zu terrorisieren und Zweifel an der Legitimität der geplanten Proteste zu säen", sagte die ehemalige Parlamentspräsidentin. Die Polizei bereite die Durchsuchung ihres Parteibüros und ihrer Wohnung vor, teilte Burdschanadse bei einer Pressekonferenz mit. Man solle sich nicht wundern, wenn die Sicherheitskräfte dort "Drogen, atomare oder chemische Waffen" finden würden, meinte die Oppositionsführerin sarkastisch.
Noch bis vor kurzem war Burdschanadse eine enge Weggefährtin des Präsidenten. Vor sechs Jahren gehörte sie mit Saakaschwili zu den Anführern der "Rosenrevolution", deren finales Ziel eine EU- und Nato-Integration Georgiens war. Auch nachdem der Präsident im November 2007 Demonstrationen mit Gummiknüppeln und Tränengas gewaltsam niedergeschlagen ließ, blieb Burdschanadse zunächst an seiner Seite. Kurz vor den Parlamentswahlen im vergangenen Frühjahr trat die Völkerrechtsprofessorin jedoch von ihrem Amt als Parlamentspräsidentin zurück. Der Krieg im August machte Burdschanadse endgültig zu Saakaschwilis schärfsten Kritikerin, doch die Bildung einer bewaffneten Untergrundorganisation ist ihr beim besten Willen nicht zuzutrauen.
Opposition fordertNeuwahlen
Hingegen wirft Burdschanadse dem Präsidenten vor, die Kampfhandlungen im vergangenen Sommer begonnen und in Folge dessen 20 Prozent des georgischen Territoriums an Russland verloren zu haben. Die Ursache dafür sieht die 44-Jährige in Saakaschwilis zunehmend autoritärem Führungsstil: "Das Fehlen einer alternativen Meinung war der Grund für Deine Fehler", schrieb sie an ihn in einem offenen Brief.
Die Oppositionsführerin fordert daher gemeinsam mit weiteren Parteien Saakaschwilis Rücktritt und möglichst schnelle Neuwahlen. Sollte es dazu kommen, hätte Burdschanadse gute Chancen auf das höchste Staatsamt.
Doch noch gibt sich Saakaschwili, gegen den in Tiflis Mitte März bereits ein Protestkonzert organisiert wurde, nicht geschlagen und versucht das Volk mit einem bewährten stalinistischen Mittel auf seine Seite zu ziehen - indem er die Opposition als Handlanger äußerer Feinde anschwärzt. Der Kreml plane in Georgien einen Umsturz "durch interne Unruhen", sagte Geheimdienstchef Gela Beschuaschwili am vergangenen Freitag. Gleichzeitig berichteten US-Medien, dass die georgische Regierung neue Verträge mit amerikanischen PR-Firmen geschlossen habe, um ihr Image in Washington aufzubessern.