"Jagen wir die Politiker wie die Hasen", forderte einst ein bekannter Publizist. Seine Aufforderung ist auf fruchtbaren Boden gefallen.
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Am 12. Juni 2012 soll es gewesen sein, um 18.18 Uhr um genau zu sein. Auch der Tatort steht außer Zweifel: die Raststätte Landzeit auf der Autobahnstation Voralpenkreuz der A1 bei Sattledt, Oberösterreich. Der vermeintliche Missetäter: Integrationsstaatssekretär Sebastian Kurz, mitunter auch als Zukunftshoffnung der ÖVP apostrophiert.
Das Foto, das ein aufdeckungswilliger Bürger mit seinem Handy geschossen hat, spricht selbstredend Bände, zeigt es doch einen Audi gehobener Klasse, der zwei Behindertenparkplätze blockiert. Beziehungsweise blockieren soll. Denn ob der Audi steht oder rollt, lässt sich nicht mit Sicherheit sagen. Auch nicht, ob Kurz selbst am Steuer saß (er dementiert) oder ein Fahrer.
ORF-Online, dem ein angeblicher Hobby-Handyfotograf und Nutzer die Infos zugespielt haben soll, war die Sache etliche Stunden eine Aufmachergeschichte wert. Zehn Monate nach dem angeblichen Ereignis.
Nichts gegen die Möglichkeiten, die im Bürgerjournalismus unseres Kommunikationszeitalters schlummern - immerhin geschieht es immer wieder, dass tatsächlich Relevantes , entdeckt, aufgedeckt, jedenfalls öffentlich gemacht wird. Aber angesichts solcher "Enthüllungen", wie in diesem Fall geschildert, lässt sich besser verstehen, warum Mitbürger, denen die kümmerlichen Reste ihrer Privatsphäre ein Anliegen sind, die Finger von politischen Funktionen aller - und besonders der gehobenen - Art lassen.
Bei Rot über die Ampel gehen, mit dem Fahrrad auf dem Trottoir fahren, beim Autofahren telefonieren, Baumschnitt im Garten verbrennen, einen Joint rauchen, kleine Serviceleistungen "schwarz" begleichen: Wer all das und noch unzählige weitere Gebote und Verbote niemals übertreten hat, dem sei an dieser Stelle herzlichst gratuliert. Sehr wahrscheinlich ist eine solche enorme Lebensleistung allerdings nicht. Dem steht nicht nur die menschliche Natur entgegen, sondern auch die mittlerweile kaum noch zu überblickende Vielzahl an Vorschriften, die einigermaßen verlässlich dafür sorgen, dass sich auch auf der weißesten Weste immer auch ein paar Spritzer finden. Und mit der Allgegenwart von zahllosen Hobbydetektiven und Möchtegernaufdeckern, mit und ohne parteipolitische Mission, ist für eine lückenlose Überwachung gesorgt.
Nun sind Mitbürger mit Aufdeckungs- und Fotografierzwang das eine; Medien, die solche G’schichtln ein Massenforum bieten, das andere. Zumindest in der Theorie sollte es eigentlich zur ureigensten Aufgabe eines professionellen Journalismus gehören, Wesentliches von Unwesentlichem zu unterscheiden. Aber das firmiert wohl leider unter Wunschdenken.
Solche "Stories" tragen mit dazu bei, die Grundlagen unserer repräsentativen Demokratie zu erodieren, indem sie das Zerrbild einer abgehobenen, sich alle Freiheiten nehmenden Politikerkaste fortschreiben. Es ist schon jetzt schwierig genug, fähige Persönlichkeiten für den Dienst an der Allgemeinheit zu motivieren. Wer bleibt übrig, wenn sich auch die Letzten mit Grausen abwenden, weil sie sich nicht zu willigen Jagdobjekten degradieren lassen wollen?