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Jäger der verlorenen Teilchen

Von Sabine Zeiler

Wissen

Cern ist das größte Forschungszentrum für Elementarteilchenphysik.


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Genf. Das Cern, das europäische Forschungszentrum für Teilchenphysik, ist eine internationale Großforschungseinrichtung in der Nähe von Genf in der Schweiz. Das Akronym Cern leitet sich vom französischen Namen der Gründungsorganisation Conseil Européen pour la Recherche Nucléaire ab. Die Institution wurde im Jahr 1954 gegründet und Englisch und Französisch sind die offiziellen Arbeitssprachen. Die Organisation ist dafür zuständig, grundlegende Kräfte und Teilchen, aus denen unser Universum besteht, zu erforschen.

Ursprünglich war der Betrieb vor allem für die Forschung im Bereich der Kernenergie vorgesehen, aber schon bald entstanden die ersten Teilchenbeschleuniger. Viele fundamentale Erkenntnisse über den Aufbau der Materie und die Grundkräfte der Physik wurden am Cern gewonnen. Die Entdeckung der W- und Z-Bosonen gelang 1983 Carlo Rubbia und Simon van der Meer, für die sie 1984 den Nobelpreis erhielten.

Der wohl bekannteste Teilchenbeschleuniger des Cern ist der Large Hadron Collider, der im September 2008 in Betrieb genommen wurde. In einem 27 Kilometer langen Ringtunnel werden hier die Bedingungen unmittelbar nach dem Urknall nachempfunden. Dafür werden Protonen mit einem an die Lichtgeschwindigkeit grenzenden Tempo aufeinander geschossen und jede Sekunde eine Milliarde Kollisionen erzeugt. Die Energien, die dabei auftreten, entsprechen jenen kurz nach dem Urknall, als das Higgs-Feld in Aktion getreten sein soll.

In vier großen Experimentierhallen registrieren riesige Detektoren diese Ereignisse, unvorstellbare Datenmengen werden von zahlreichen Rechenzentren ausgewertet. Ziel der Physiker ist es zu erkunden, was kurz nach dem Urknall geschah, woraus die rätselhafte Dunkle Materie besteht und warum Materie überhaupt eine Masse besitzt.

Eine der wichtigsten Errungenschaften des Cern hat mit Teilchenphysik allerdings nur am Rande zu tun. 1990 entwickelte der britische Forscher Tim Berners-Lee hier das World Wide Web und das HTTP-Protokoll, um Physiker in aller Welt mit den aktuellsten Daten der Beschleunigungsexperimente versorgen zu können.

Fast eine Milliarde Budget

Ein wichtiger Grundsatz des Cern ist, dass jegliche Forschungs- und Entwicklungsarbeit in keinem Zusammenhang mit militärischen Zielen stehen darf. Die Großforschungseinrichtung umfasst 20 Mitgliedstaaten, die das Unternehmen finanzieren. Mit Ausnahme von Irland sind so gut wie alle westeuropäischen Staaten dabei, in Süd- und Osteuropa halten Ungarn, die Slowakei, Bulgarien, Tschechien, Polen und Griechenland Beteiligungen. Auch Österreich ist ein Mitgliedsstaat des Cern und trägt zu dessen Budget jährlich 19,2 Millionen Euro bei. Im Jahr 2010 stand dem Unternehmen durch die beteiligten Länder eine Gesamtsumme von 855,5 Millionen Euro zur Verfügung. Das Cern zählt rund 3100 fixe Mitarbeiter, pro Jahr kommen bis zu 10.000 Gastwissenschafter hinzu.