Schmied: Ausweitung kostet keine Arbeitsplätze. | Faymann stärkt Ministerin den Rücken. | Expertin plädiert für "big idea" Jahresarbeitszeit. | Wien. In der Gewerkschaft gehen weiter die Wogen hoch. Selbst bisher streikresistente Lehrer unterstützen nun Streikdrohungen. Zwei Stunden pro Woche mehr Unterricht fordert Unterrichtsministerin Claudia Schmied von den Pädagogen. Nur so sei das Budget darstellbar. Und, so versicherte Schmied am Freitag neuerlich, "der Solidarbeitrag der Lehrer wird keinen Arbeitsplatz kosten". Durch die gewonnenen Ressourcen könnten mehr Tagesbetreuung, Kleingruppenunterricht, Förderkurse und andere wichtige Maßnahmen realisiert werden.
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Obwohl ihr Bildungsbudget von derzeit 6,5 Milliarden Euro bis 2013 schrittweise auf 7,5 Milliarden ansteigt, ist der Handlungsspielraum Schmieds eingeschränkt. Mehr als 90 Prozent des Bildungsbudgets sind reine Personalkosten, 5 Prozent sind für Ausstattung vorgesehen und nur 4,5 bis 5 Prozent können für Schulentwicklung, innovative Projekte, Qualitätssicherung verwendet werden. Unter diesen letzten Punkt fallen auch die Mehrkosten für die Senkung der Klassenschülerzahl auf 25.
BSA contra Schmied
Dennoch hagelt es selbst aus dem BSA (Bund Sozialdemokratischer Akademiker), wo Schmied im Vorstand sitzt, Kritik. Der Plan Schmieds "wird strikt abgelehnt", sagt die Vorsitzende der AHS-Lehrer im BSA, Eva Mersots. Auch die oberösterreichischen Genossen wehren sich. Sie wollen sogar im Landtag eine Resolution gegen den "unmenschlichen Umgang" mit den Lehrern einbringen.
Rückendeckung gab es neuerlich von Kanzler Werner Faymann. Es sei notwendig, dass alle einen Beitrag leisteten. Neben den Steuerzahlern seien dies die Lehrer. Auch jenen "auf der anderen Seite", so der Kanzler bei der Wiener SPÖ-Klausur in Rust, könne er nur sagen: "Bildung braucht Mut und Zuversicht". Er wünscht, "dass wir das gemeinsam ausreden können". Schmied ist überzeugt, dass ihr Vorhaben umgesetzt wird.
Bildungsexperten loben den Schritt Schmieds. "Wenn man ernsthaft daran interessiert ist, dass die Kinder die Angebote wie Nachmittagsunterricht, Neue Mittelschule, Förderkurse oder Sprachförderung bekommen und es keine zusätzlichen Budgetmittel gibt, ist das die einzig mögliche Lösung", sagt Bildungsexperte Josef Lucyshyn zur "Wiener Zeitung". Er rät aber, da die Situation derzeit etwas überhitzt sei, zu einer Abkühlungsphase. Dann sollten sich alle Beteiligten an einen Tisch setzen und um eine Lösung im Interesse der Kinder ringen. Für sie müssten bestmögliche Rahmenbedingungen geschaffen werden - und das müsse im Zentrum der Debatte stehen, sagt Lucyshyn vom Bundesinstitut für Bildungsforschung.
Für Christa Koenne, Bildungsexpertin der Uni Wien, hat Schmied die richtige Vorgangsweise gewählt. Das sei "höchst professionell" gewesen, denn die Erfahrung zeige, dass man mit der Lehrergewerkschaft nichts erreiche. Selbst wenn als Kompromiss eine Verlängerung um nur eine Stunde herauskäme und alle das als Erfolg feierten, wäre das für das System unzureichend.
Koenne, die selbst unterrichtet und auch Direktorin an einer Wiener AHS war, ist aber grundsätzlich gegen viele kleine Schritte, die die Lehrer nur verärgern würden. Statt dessen brauche man "eine big idea". Sie plädiert daher für ein Lehrer-Jahresarbeitszeitmodell.
Mehr Flexibilität
In Schweden mache man seit zwei Jahrzehnten gute Erfahrungen damit. Bei diesem Modell gebe es nur Gewinner: Die Schüler, weil ihr Lernerfolg deutlich besser werde; die Eltern, weil sie ihre Kinder auch im Sommer zur Schule schicken könnten; die Lehrer, weil sie viel mehr Flexibilität bei ihrer Urlaubswahl hätten und auch die Schulen selbst.
Wie könnte das Funktionieren? In Zeiten, wo die Lehrpläne mit dem Computer erstellt werden, sei das kein großes Problem, sagt Koenne. Es würden sich natürlich die Stundenpläne auch während des Jahres ändern. Chemie könnte dann schwerpunktmäßig zwei Wochen lang unterrichtet werden. Die pädagogisch unsinnigen Ein-Stunden-Fächer pro Woche würden eben zusammengefasst und hätten für die Schüler auch Sinn. Kinder bräuchten mehr Unterricht und weniger Nachhilfe. Das müsse ein Ziel dieser Reform sein, sagt Koenne.