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James Bond jagt Dr. Strasser

Von Wolfgang Zaunbauer

Politik
"Schon 2002 hat das BVT nur gelacht" , deshalb habe er selber versucht, die Agenten zu entlarven, so Strasser.
© © HELMUT FOHRINGER

Er fühlte sich von Geheimdiensten verfolgt, wollte Hintergründe aufdecken.


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Wien. "Eine Sache darf ein Parlamentarier nie tun: Er darf nie seine Arbeit und seine Stimme gegen Geld verkaufen", erklärte Staatsanwältin Alexandra Maruna. "Genau das wollte Ernst Strasser aber", so Maruna weiter, "für 100.000 Euro war er bereit, alles zu tun, was man von ihm verlangte."

Unter großem medialen Interesse begann am Montag das Verfahren gegen den früheren Innenminister und Ex-EU-Abgeordneten. Ihm wird Bestechlichkeit vorgeworfen, weil er in Gesprächen mit zwei vermeintlichen Lobbyisten (tatsächlich waren es Journalisten der britischen "Sunday Times") anbot, für 100.000 Euro pro Jahr Einfluss auf EU-Gesetze zu nehmen. Insgesamt seien 60 Parlamentarier von den Journalisten Claire Newell und Jonathan Calvert kontaktiert worden, aber "nur drei Abgeordneten war das Geld wichtiger als ihre Integrität - und Dr. Strasser war einer davon", so Maruna.

"Mein Mandant hat kein Verbrechen begangen", entgegnete Strassers Anwalt Thomas Kralik. Den Journalisten sei es nur darum gegangen, den Angeklagten "einzutunken". Aber Strasser habe "den Braten von Anfang an gerochen".

Befragt von Richter Georg Olschak erklärte Strasser, schon bei der ersten Kontaktaufnahme sei er misstrauisch geworden. Recherchen hätten schließlich ergeben, dass es die von den Journalisten genannte Consultingfirma "Bergman Lynch" gar nicht gab - nur eine Homepage. "Da war mir klar, dass es Gauner sind."

Spione, wahrscheinlich Amerikaner

Für Journalisten hielt er Newell und Calvert allerdings nicht. Sondern für Spione, und zwar "eher Amerikaner als Briten". Schon zu seiner Zeit als Innenminister habe er das Gefühl gehabt, ein Geheimdienst sei hinter ihm her, so Strasser. Damals sei er vom Verfassungsschutz (BVT) aber nur ausgelacht worden - und das als zuständiger Minister. Daher habe er nichts gemeldet, sondern den Agenten "Fallen gestellt". Denn "die vom BVT tun nichts, wenn man ihnen nicht eine pfannenfertige Geschichte liefert".

Er habe sich zum Schein auf die Lobbyisten eingelassen, so Strasser. "Sie wollten mich zu einer Straftat verführen." Allerdings habe er ihnen von Anfang an klargemacht, was er tun dürfe und was nicht. Denn aus seiner Zeit als Innenminister wisse er, wie Geheimdienste arbeiten: "Die nutzen Fehler aus, um die Leute zu erpressen."

Als Grund für die vermeintliche US-Spionageaktion vermutet Strasser das vom EU-Parlament abgelehnte Bankdatenabkommen Swift und das Passagierdatenabkommen mit den USA. Tätig war er dann allerdings in einem ganz anderen Bereich: Er schickte einen Abänderungsantrag zur EU-Elektroschrottrichtlinie an den zuständigen Abgeordneten Karl-Heinz Florenz (CDU) - und stieß bei diesem auf taube Ohren. Strassers Vorschlag hätte völlig den Interessen des Umweltausschusses widersprochen und sei daher abgelehnt worden, so Florenz per Videokonferenz. Der CDU-Parlamentarier attestierte Strasser "eine blühende Fantasie". Diese Meinung scheint auch Richter Olschak bezüglich der Geheimdienst-Story zu teilen.

Heute, Dienstag, beginnt die Sichtung der heimlichen Videoaufnahmen der Gespräche Strassers mit den Journalisten - insgesamt acht Stunden Filmmaterial. Ein Urteil ist erst im Jänner zu erwarten. Strasser drohen bis zu zehn Jahre Haft.