Lösung im Fall Timoschenko vertagt - kommt die Oppositionelle nach Wien?
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Kiew. Acht Tage sind es noch bis zum Gipfel der Östlichen Partnerschaft der EU im litauischen Vilnius am 28. und 29. November - acht Tage, in denen es Wiktor Janukowitsch, der Präsident der Ukraine, spannend macht. Immer noch wartet die EU auf einen positiven Entscheid des ukrainischen Parlaments im Fall Julia Timoschenko, um mit Kiew ein Assoziierungsabkommen unterzeichnen zu können. Die Oppositionschefin und härteste politische Rivalin Janukowitschs sitzt seit zwei Jahren aufgrund eines umstrittenen Urteils in Haft. Trotz einer Andeutung Janukowitschs vor Wochen, dass die Ikone der "Orangen Revolution" bald freikommen könnte, ist in der Sache nichts passiert - obwohl der Fall Timoschenko vor einer Woche abgeschlossen hätte werden sollen.
Nun hat die Werchowna Rada, das Parlament in Kiew, auch den - laut Aleksander Kwasniewski, dem Gesandten der EU - "letzten" Termin Brüssels verstreichen lassen. Am Dienstag wurde die Sitzung, die sich mit Timoschenko beschäftigen sollte, auf Donnerstag vertagt. In der Rada stehen sich die von Janukowitschs "Partei der Regionen" (PdR) dominierte Regierung und die prowestliche Opposition tief verfeindet gegenüber. Nachdem der Koalitionspartner der PdR, die Kommunistische Partei, einen strikt prorussischen Kurs fährt, müssten sich Janukowitschs Parlamentarier mit der Opposition auf ein Gesetz einigen, das Timoschenko die Ausreise in die EU ermöglicht.
Die Ausreise - nicht die Freiheit. Denn es gilt mittlerweile als unwahrscheinlich, dass Janukowitsch seine Hauptrivalin, die ihm politisch gefährlich werden könnte, begnadigen wird. Der mittlerweile fast schon allmächtige Präsident könne sich allenfalls vorstellen, dass Timoschenko eine Art Hafturlaub antritt, heißt es in Kiew. Die erkrankte Timoschenko müsste dann nach ihrer Genesung den Rest ihrer Haft in der Ukraine absitzen.
Wieweit die EU, die von Kiew Bewegung bei der "selektiven Justiz" im Land fordert, mit einer solchen Lösung leben könnte, ist allerdings zweifelhaft. Deutschland zumindest - das Land, in das Timoschenko ausreisen sollte - hat sich den von Kiew gestellten Bedingungen bisher verweigert.
Gute Kontakte nach Wien
Möglicherweise könnte Timoschenko aber auch anderswo als in der Berliner Charite-Klinik landen. Politische Beobachter in der Ukraine halten es gegenüber der "Wiener Zeitung" für möglich, dass Janukowitsch seinen Wien-Besuch am Donnerstag und Freitag dazu nutzen wird, bei Bundespräsident Heinz Fischer und Außenminister Michael Spindelegger die Möglichkeit einer Ausreise der Ex-Premierministerin nach Wien auszuloten - in der Hoffnung, dass Österreich anders als Deutschland den ukrainischen Wünschen nachkommt. In Kiew spricht man von den traditionell guten Kontakten nach Österreich. So hat sich etwa Ex-Präsident Wiktor Juschtschenko nach seiner Vergiftung in Wien behandeln lassen. Auch in der Umgebung Janukowitschs gibt es Politiker und Oligarchen mit sehr guten Geschäftskontakten nach Österreich.
Ob Timoschenko aber wirklich nach Wien kommt, ist freilich alles andere als sicher. Zum einen bräuchte es dazu die Zustimmung Österreichs zu so einem Deal - und die ist eher unwahrscheinlich. Und zum anderen betonen ukrainische Politologen, dass die Entscheidungen des Präsidenten sich kaum vorhersagen lassen. Der Mann aus Donezk in der russophilen Ostukraine segelte zu Beginn seiner Präsidentschaft auf Versöhnungskurs mit Russland, ehe er sich harte Gefechte mit dem Kreml um die hohen Gaspreise für die Ukraine lieferte. Daraufhin wandte sich Janukowitsch der EU zu, zog jedoch im Land gleichzeitig die Zügel straff an - was wiederum in Brüssel nicht gut ankam. Zuletzt schien sich der Präsident bereits fix für die Anbindung an die EU entschieden zu haben, ehe er in den letzten Wochen wieder intensiv mit seinem russischen Amtskollegen Wladimir Putin verhandelte. Diese Gespräche sollen aber zuletzt ebenfalls gescheitert sein.