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Japan, eine Erschütterung

Von Barbara Ottawa

Wirtschaft
Barbara Ottawa ist freie Journalistin und berichtet vorwiegend über Investitionen und Pensionskassen.

Vielleicht sollte man "ethisches Investieren" nach solchen Katastrophen neu definieren.


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Wieso hat Japan nach dem Erdbeben am 11. März nicht die Börse kurzzeitig geschlossen? Diese Frage beschäftigte mich. Und dann nannte mich Atsushi Saito, Präsident der Börse in Tokio, einen egoistischen Angsthasen. Im "Wall Street Journal" unterstellte Saito allen internationalen Finanzinstitutionen, die eine vorübergehende Schließung der Börse gefordert hatten, dass sie nur verhindern wollen, ihre Anteile überstürzt abstoßen zu müssen und lieber geordnet den Markt verlassen wollen. Das sei "egoistisch", so der Börse-Chef. Er riet allen Anlegern zurückzukehren, denn Japan sei trotz allem eine sichere Investition.

Tatsächlich haben sich nach Katastrophen wie dem Hurrikan Katrina in den USA im Jahr 2005 die Börsen wieder viel schneller erholt als von vielen Analysten erwartet. "Die Geschichte zeigt uns, dass Naturkatastrophen immer eine Kaufgelegenheit bieten", sagte Jim Rogers, ein Investment-Guru aus den USA, kurz nach dem Erdbeben. Und solche Schnäppchenjäger werden es sein, die Japan durch Aktienkäufe beim Wiederaufbau helfen - auch wenn ihr Motiv vielleicht eher die Gewinnmaximierung ist.

Andere Investoren haben Japan verlassen und kurzfristig hat der Aktienmarkt in Tokio 20 Prozent verloren. Dann ging es eine Zeit lang wieder ein bisschen bergauf, und jetzt bewegen sich die Kurse in etwa so volatil wie die Nachrichten über einen möglichen GAU in Fukushima. Denn was diese Katastrophe wahrscheinlich am meisten von anderen unterscheidet, ist, dass nicht sicher ist, wie es weitergeht.

In Deutschland musste die Union Investment einen offenen Immobilienfonds vorübergehend schließen, weil die Bewertung der Gebäude in Tokio zurzeit unmöglich ist, auch wenn sie weder durch das Beben noch durch den Tsunami beschädigt worden sind. Verkäufer von sogenannten "Katastrophen-Anleihen", die von Versicherern zur Auslagerung von Risiken begeben werden, finden derzeit keine Abnehmer, weil der Sekundärmarkt abwarten will.

Aber auch Menschen, die nicht in Japan investiert sind, sind betroffen: Wer vor Jahren einen Fremdwährungskredit in Yen aufgenommen hat - in Österreich sind etwa zwei Milliarden Euro über solche Kredite vergeben -, wird sich insgeheim freuen, wenn die Regierung in Japan den Yen während des Wiederaufbaus niedrig hält.

Es bleibt die Frage, ob Ländern, die von Katastrophen heimgesucht wurden, mit einer anderen Einstellung zu Investitionen geholfen wäre. Nämlich einem langfristigeren Anlagehorizont. Würden Investoren ihre Wertpapiere in Krisenzeiten nicht abstoßen, sondern auf eine Erholung vertrauen, dann gäbe es theoretisch keine Kursabstürze und keine Spekulanten.

Allerdings ist die Finanzwelt nicht so schwarz/weiß-gestrickt. Viele institutionelle Investoren zum Beispiel sind gesetzlich verpflichtet, nur einen gewissen Grad an Risiko in ihren Portfolien zu halten. Wenn sich also die Volatilität an der Börse Tokio erhöht und somit das Risiko der dort gehandelten Aktien, dann müssen sie diese Positionen abstoßen. Und für den Fall, dass das nicht möglich ist - etwa weil die Börse in Tokio geschlossen ist -, müssten sie andere Aktien verkaufen. Und das würde dann vor allem die Märkte in den USA und Europa treffen, wo es am einfachsten ist, Aktien rasch abzustoßen.

Barbara Ottawa ist freie Journalistin und berichtet vorwiegend über Investitionen und Pensionskassen.