Finanzspritze soll 600.000 | neue Arbeitsplätze schaffen.
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Tokio. Jede Amtszeit eines Politikers hat ihren eigenen Lieblingswortschatz. War der japanische Premierminister Shinzo Abe bei seinem ersten Anlauf 2006 noch von dem nationalistisch angehauchten Wunsch beseelt, ein "malerisch schönes Japan" herzustellen, klingt er bei seinem zweiten Versuch im Spitzenamt seit Ende 2012 realistischer. Jetzt lautet sein neuer Lieblingsausdruck: "Befreiung von der Deflation". Diesem Ziel hat er höchste Priorität eingeräumt. Und um es zu erreichen, legt er Tempo vor.
Denn bis zur Oberhauswahl in der zweiten Julihälfte 2013 bleibt nicht viel Zeit, die skeptischen Wähler davon zu überzeugen, dass die neue von den Liberaldemokraten (LDP) geführte Regierung, die bei den Parlamentswahlen am 16. Dezember die demokratische Partei (DPJ) aus dem Amt verdrängte, nach über zwei Jahrzehnten wirklich der Deflation ein Ende setzen kann.
"Wir müssen der schrumpfenden Wirtschaft ,Ade` sagen und darauf abzielen, eine starke Wirtschaft zu schaffen, wo Innovation und neue Nachfrage zu mehr Arbeitsplätzen und Einkommen führen", sagte Abe der Zeitung "Nikkei" am Freitag.
Mit dem höchsten Konjunkturpaket seit dem Geschäftsjahr 2009 will er nach der globalen Finanzkrise im Vorjahr 600.000 Jobs schaffen und das Bruttosozialprodukt um zwei Prozent anheben. Die versprochenen 10,3 Billionen Yen an Steueranreizen sollen die Kommunen und Privatunternehmen zu mehr Ausgaben und Investitionen anregen. Das Gesamtpaket soll sich auf 20,2 Billionen belaufen - umgerechnet 170 Milliarden Euro.
Hiromasa Yonekura, der Vorsitzende des Keidanren, Japans größter Lobbyvereinigung der Wirtschaft, begrüßte das Vorgehen: "Der Zeitpunkt dafür ist sehr gut. Es wurden weitreichende Maßnahmen mit einem Sinn für Dringlichkeit ergriffen." Auf der Wunschliste des Keidanren sind jedoch noch weitere Punkte, an denen der Erfolg oder Misserfolg der Abe-Regierung auch von der japanischen Bevölkerung gemessen werden wird.
Teuere Rohstoffimporte belasten Japan
Zum einen muss Abe eine Lösung für die drängende Energiefrage finden. Hohe Rohstoffimporte belasten seit der Katastrophe von Fukushima die Handelsbilanz, da seither bis auf zwei alle der verbliebenen 50 Atomkraftreaktoren abgeschaltet sind.
Zum andern muss der Premier bis Februar, wenn ein Treffen mit dem US-Präsidenten Barack Obama geplant ist, eine in Japan bisher aufgeschobene Entscheidung fällen, ob das Land dem Freihandelsabkommen Trans Pacific Partnership (TPP) beitritt. Seit Jahren behandeln Japans Politiker das Thema wie eine heiße Kartoffel - aus Angst, Wähler zu vergraulen. Die Bedenken reichen von Preisverfall wegen Konkurrenz aus dem Ausland bis hin zur Angst vor genetisch modifizierten Lebensmitteln. Eine Alternative wären Abkommen mit einzelnen oder mehreren Ländern in Südostasien. Seine erste Auslandsreise als Premier wird Abe in die Region führen.
Hälfte der Finanzspritze fließt in Wiederaufbau
Etwa die Hälfte des Konjunkturpakets soll in Projekte der öffentlichen Hand fließen, der größte Teil davon in die vor 22 Monaten zerstörten Gebiete in Nordostjapan. Entlang der über 400 Kilometer langen Küste, die vom Tsunami betroffen war, müssen Tunnel, Straßen und Brücken gebaut werden. Außerdem werden Gelder für den Katastrophenschutz benötigt, zum Beispiel um neue Tsunamischutzwälle zu errichten. Noch immer bebt es in der Region regelmäßig, zuletzt am 7. Dezember so stark, dass erneut Tsunamis von bis zu einem Meter heranrollten.
Der zweitgrößte Teil des Konjunkturpakets gilt Japans Wirtschaftswachstum. Dazu zählt auch die Förderung der Wissenschaft. Speziell für die Stammzellenforschung, für die der japanische Wissenschaftler Shinya Yamanaka im Dezember 2012 den Nobelpreis bekam, werden in den nächsten zehn Jahren 110 Milliarden Yen zur Verfügung gestellt. "Ohne den Mut, sich in unbekannte Gebiete vorzuwagen, gibt es keinen Erfolg", sagte Premier Abe bei dem Besuch von Yamanakas Forschungslabor in der Stadt Kobe. Auch Kooperationen zwischen Universitäten und Privatunternehmen sowie Firmenneugründungen sollen unterstützt werden.
Das Paket erhöht den Druck auf Japans Zentralbank, nun ebenfalls Taten folgen zu lassen. Schon im Wahlkampf hatte Abe die Bank zu einer stärkeren Lockerung der Geldpolitik gedrängt. Außerdem forderte er von der Bank of Japan, dass sie ihr jährliches Inflationsziel von einem Prozent verdopple. Experten erwarten, dass die Zentralbank der Forderung nachkommt.
Für die verbleibenden drei Monate des japanischen Geschäftsjahres, das jeweils im April beginnt, will Abes Kabinett nach Informationen der japanischen Zeitung "Nikkei" am kommenden Dienstag einem Zusatzbudget von 13,1 Billionen Yen genehmigen, über die das Notfallkonjunkturpaket finanziert werden soll.