Schon bisher war Japan der weltgrößte Gas-Importeur. | Tokio/Berlin. Wie stark Japans Wirtschaft von der Katastrophe geschädigt wird, hängt nicht zuletzt davon ab, wie rasch die Energieversorgung nach dem Ausfall der AKW-Kapazitäten stabilisiert werden kann.
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Denn jeder Tag, an dem die Fließbänder der großen Fabriken der Elektronik-, Halbleiter- oder Autoindustrie ruhen, verursacht Produktionsausfälle in Milliarden-Yen-Höhe. Der drittgrößte Energieverbraucher und zweitgrößte Rohölimporteur der Welt wird künftig mehr denn je auf Rohstoff-Einfuhren angewiesen sein. Die 54 Atomreaktoren hatten nämlich bisher eine Leistung von 49.000 Megawatt (MW). Davon werden rund 9700 MW, etwa ein Fünftel, definitiv und vermutlich dauerhaft ausfallen.
Experten erwarten, dass die Japaner vor allem auf Flüssigerdgas, Öl und Kohle ausweichen. Sie berufen sich dabei auf Vergleichswerte: Schon im Juli 2007 wurde die Atomanlage Kashiwazaki-Kariwa mit 8200 Megawatt Leistung abgedreht. Damals machte verflüssigtes Erdgas (kurz LNG, "liquefied natural gas") den Großteil des Ausfalles wett. Auch dieses Mal dürfte das auf extrem tiefe Temperaturen - unter minus 160 Grad Celsius - abgekühlte Erdgas bis zu 40 Prozent der ausgefallenen Energie kompensieren. Japans Gasbedarf könnte dadurch laut Schätzungen um sechs Prozent steigen. Da die eigenen Gasressourcen minimal sind, muss der Großteil über dem Schiffsweg in den Inselstaat gebracht werden.
Pionier bei Flüssiggas
Japan ist auf diese Importe aber gut vorbereitet: Das Land war wegen seiner Rohstoffarmut ein Pionier des LNG-Handels - schon 1969 wurden die weltweit ersten Importe aus Alaska abgewickelt.
Seither ist der Staat auch in absoluten Zahlen zum weltweit größten Abnehmer von Flüssiggas geworden. Japans Weltmarktanteil an den Importen wird auf 36 Prozent geschätzt. Der Großteil des Gesamtbedarfs in Höhe von 3,3 Billionen Kubikfuß (so heißt die marktübliche Gas-Einheit - rund 35 Kubikfuß sind ein Kubikmeter) wird für die Stromerzeugung verwendet; dahinter folgt die Großindustrie als Abnehmer.
Die Importe dürften jetzt um etwa eine Milliarde Kubikfuß täglich steigen, erwarten Experten. Die Großhäfen wie Tokio, Osaka und Nagoya verfügen jeweils über eigene LNG-Terminals - sie waren von den Erdbeben- und Tsunamischäden nicht oder kaum betroffen. Dank des weltweiten Überschusses, der durch die Schiefergas-Produktion der USA entstanden ist, sollte auf den Märkten ausreichend Gas vorhanden sein.
Eine weitere Alternative zur Stromerzeugung wäre Öl. Dieses macht im gesamten Energiemix immer noch den größten Anteil aus, wenngleich die Ölabhängigkeit von 80 Prozent in den 1970er-Jahren auf 45 Prozent im Jahr 2009 deutlich gesunken ist. Zur Stromerzeugung nutzte Japan die Ölverfeuerung bisher vor allem, um Schwankungen auszugleichen. Laut Internationaler Energieagentur IEA habe das Land aber genügend Kapazitäten, um die Ausfälle bei der Kernenergie zu ersetzen. Die japanischen Öl-Reserven würden für 170 Tage ausreichen.
Die Verbrennung von Gas, Öl und Kohle steht für rund 177.000 MW, das ist der mit Abstand größte Anteil im Energiemix zur Stromerzeugung. Wasserkraft blieb mit 47.000 MW bisher hinter Kernenergie zurück. Wind- und Solarenergie spielten hingegen mit 1500 MW nur eine marginale Rolle.
Strompreis in Leipzig
(reu) Unterdessen würfelt der teilweise Atom-Ausstieg in Deutschland die Lage auf dem Strommarkt unerwartet durcheinander: An der Leipziger Energiebörse EEX schossen die Preise für eine Stromlieferung im nächsten Jahr um bis zu 6,3 Prozent in die Höhe. 58,50 Euro je Megawattstunde bedeuteten den höchsten Stand seit Anfang Jänner 2009. "Es regiert Panik und wird für alle Eventualitäten eingekauft", kommentierte ein Händler die Ereignisse.