Tokio erhöht Militärhaushalt und reagiert damit auf Inselstreit mit China.
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Tokio. Ihre Rotoren dröhnen so laut, dass man sich selbst einige hundert Meter entfernt nur brüllend unterhalten kann. Drei "Osprey", eine Mischung aus Flugzeug und Hubschrauber, stehen auf einer Militärbasis der US-Marines auf der japanischen Insel Okinawa auf der Startbahn. Nach über einer halben Stunde rollen sie in die Dunkelheit davon, unterwegs zu Übungsflügen. Dann hört man nur noch die Grillen zirpen.
Wenn es nach den neuen Verteidigungsrichtlinien geht, die die japanische Regierung am Dienstag verkündete, soll Japan bald selbst solche hochmodernen Militärfluggeräte sowie weitere Waffen besitzen. Japan kündigte an, zwischen 2014 und 2019 24,7 Billionen Yen (174 Milliarden Euro) für Rüstung ausgeben zu wollen. Die Finanzspritze für das Militär, das in den zehn Jahren davor Kürzungen hinnehmen musste, ist Teil einer neuen Sicherheitsstrategie, der ersten, die Japan in dieser Form vorgestellt hat.
Sie sei nach japanischer Leseweise eine Reaktion auf ein "immer angespannteres Sicherheitsumfeld". Gemeint sind vor allem Konflikte mit dem Nachbarn China um unbewohnte Inselgruppen im Ostchinesischen Meer. Zuletzt verschärfte sich die Lage, als China eine Luftverteidigungszone über den Inseln einrichtete. Das Strategiepapier richtet sich aber auch an Nordkorea, das Japan - und seinen Bündnispartner, die USA - mit wiederholten Raketentests provozierte.
Premier Abe spricht von "proaktivem Pazifismus"
Die neue Strategie sieht vor allem zwei Veränderungen vor: Um Japans Überwachungskapazitäten zu steigern, werden 28 US-Tarnkappen-Kampfflugzeuge vom Typ F-35 und fünf U-Boote angeschafft. Auch teure "Global Hawk"-Drohnen sollen auf der Einkaufsliste bei US-Rüstungsfirmen stehen. Vier Stück davon würden dutzende Milliarden Yen kosten, berichtete die Zeitung "Asahi".
Um japanisches Territorium zu verteidigen oder wiedereinzunehmen, will Japan mit Hilfe von 52 Amphibien-Fahrzeugen eine entsprechende Einsatztruppe aufbauen, die sich zur Verteidigung von abgelegenen Inseln eignen würde. Streitpunkt mit China ist die von Tokio verwaltete Senkaku-Inselgruppe, die China Diaoyu nennt.
Japan will seine Aufrüstung jedoch nicht als Vorbereitung auf einen Angriff verstanden wissen. Es betonte mehrfach seine Rolle als Nation, die "globalen Frieden" schaffen und für Sicherheit sorgen wolle. Premierminister Shinzo Abe, der den Auftrag zur Formulierung des Strategiepapiers gab, nennt dies "proaktiven Pazifismus". Da er jedoch - genauso wie sein Partei-Vize, ein Ex-Verteidigungsminister - als Verfechter eines starken Militärs gilt, ist fraglich, ob dieser Schritt die Lage in der Region beruhigt. In der Vergangenheit, etwa als Japan im Sommer sein größtes Marineschiff seit dem Zweiten Weltkrieg vorstellte, reagierte China stets verschnupft bis verärgert. Und auch jetzt zeigt sich Peking über Tokios Schritt wenig erfreut. Japans Militärpolitik hätte Auswirkungen auf die regionale Sicherheitslage, hieß es aus China.
Tokio will die USA bei ihrer Asienstrategie unterstützen
Japan verfolgt mit seiner neuen Sicherheitsstrategie zudem das Ziel, sein Image vom schutzbedürftigen Junior-Partner der USA abzustreifen. Stattdessen will es sich als verlässlicher, auch militärisch eigenständiger Partner präsentieren, der die USA beim "neuen Ausbalancieren" ihrer Asienstrategie unterstützen könne. US-Präsident Barack Obama hatte wiederholt betont, welch strategische Bedeutung Asien für die USA habe. Das bedeutet auch eine Intensivierung der Zusammenarbeit mit dem Bündnispartner Japan.