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Japanische Wirtschaft boomt

Von Harald Waiglein

Wirtschaft

5,5 Prozent BIP-Zuwachs im vierten Quartal 2006. | Gefahr einer abrupten Aufwertung des Yen gegeben. | Weltkonjunktur verlagert ihre Wachstumssäulen. | Tokio/Wien. Japans Wirtschaft ist gegen Ende letzten Jahres deutlich stärker gewachsen als allgemein erwartet. Das annualisierte (auf das Gesamtjahr hochgerechnete, Anm.) Wachstum im 4. Quartal lag bei 5,5 Prozent. Nach der in Europa üblichen Berechnungsmethode betrug das Wachstum gegenüber dem Vorquartal 1,3 Prozent. Zum Vergleich: Im selben Zeitraum wuchsen die USA um 0,5 Prozent, die Euro-Zone um 0,9 Prozent.


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Für Japan dürften die Zahlen die lange erhoffte Konjunkturwende darstellen. Seit Anfang der 90er Jahre liegt die japanische Wirtschaft am Boden. In den letzten 15 Jahren gab es nicht weniger als vier Rezessionen. Ebenso lange kämpft das Land mit einer nicht enden wollenden Deflation.

In den letzten Monaten hat sich allerdings das Konjunkturbild auf globaler Ebene verlagert. In den USA, die in den letzten Jahren die Konjunkturlokomotive der Welt waren, schwächt sich das Wirtschaftswachstum seit Mitte 2006 ab. Manche Beobachter befürchten eine weitere Verschlechterung: Erst vor ein paar Tagen hatte der ehemalige US-Notenbank-Chef Alan Greenspan die Möglichkeit in den Raum gestellt, dass die USA gegen Jahresende in eine Rezession gleiten könnten.

In dem Maße, wie die USA schwächer werden, haben jedoch die europäische und japanische Konjunktur zulegen können. Die Wirtschaft der Euro-Zone etwa wuchs im 4. Quartal im Jahresabstand um 3,6 Prozent.

Obwohl es ein wenig paradox klingt, bringt das Erstarken der japanischen Konjunktur auch eine Gefahr für die Weltwirtschaft mit sich. Der Grund dafür liegt im sogenannten "Carry Trade": Wegen der niedrigen Zinsen in Japan nehmen internationale Investoren derzeit in großem Stil Yen-Kredite auf und investieren die Beträge in andere Währungen. Weil das bedingt, dass sie Yen verkaufen, um andere Währungen kaufen zu können, drückt das auf den Devisenmärkten den Kurs des Yen. Dieser ist derzeit dadurch die am stärksten unterbewertete Währung der Welt.

Historische Parallelen

Eine Häufung von Carry Trades gab es schon einmal in der Geschichte: Unmittelbar bevor Russland im Jahr 1998 die Tilgung seiner Staatsschulden aussetzte, hatten die Yen-Kredite internationaler Investoren ein Rekordniveau erreicht. Als im Gefolge der russischen Finanzkrise auch der US-Hedge-Fonds Long Term Capital Management (LTCM) zusammenbrach, begannen die Hedge-Fonds weltweit, ihre Yen-Verpflichtungen abzubauen. Innerhalb weniger Tagen stieg der Wechselkurs der japanischen Währung damals um 13 Prozent. Wer hohe Yen-Kredite aufgenommen hatte, musste nun sehr viel mehr Geld zurückbezahlen als ursprünglich angenommen. Einige Investoren verloren dadurch enorm viel Geld - unter ihnen auch Wolfgang Flöttl und die Bawag.

Sollte Japans Wirtschaft weiterhin stärker wachsen als erwartet, könnte sich die Geschichte wiederholen. Denn der "Carry Trade" ist nur lukrativ, wenn man davon ausgeht, dass der Yen-Kurs und die Zinsen niedrig bleiben. Eine boomende japanische Konjunktur würde aber unweigerlich dazu führen, dass beide steigen.